piwik no script img

Etat wird Gesetz

■ Haushalt 1999 verabschiedet. 630-Mark-Jobs im Zentrum der Debatte

Bonn (Reuters) – Der Bundestag hat gestern den Haushalt 1999 in dritter Lesung verabschiedet. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) räumte während der Debatte möglichen Nachbesserungsbedarf an den Gesetzen zur Scheinselbständigkeit und zu den 630-Mark-Jobs ein, kritisierte zugleich aber das Verhalten der Wirtschaft. Wenn die Kritik der Firmen berechtigt sei, werde es Änderungen geben, sagte Müller. Er betonte zugleich, die Wirtschaft und nicht die Politik sei für den Mißbrauch bei sozialversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnissen verantwortlich. Arbeitsminister Riester (SPD), der Änderungen an den Reformen abgelehnt hatte, ging nicht näher auf das Thema ein.

Auch mehrere Abgeordnete der Koalitionsfraktionen setzen sich dafür ein, die Gesetze nachzubessern. Der SPD-Politiker Hans Martin Bury sagte, die heutige Opposition habe wider besseren Wissens durch jahrelanges Nichtstun erhebliche Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten des Mittelstands zugelassen. Die Wirtschaftsexpertin der Grünen, Margareta Wolf, beklagte, daß die neuen Bestimmungen „nicht auf ihre Praxistauglichkeit überprüft“ worden seien. Scharfe Kritik an den Gesetzen übte die Opposition. Der FDP-Wirtschaftspolitiker Paul Friedhoff erklärte, es sei der rot-grünen Regierung mit ihrer chaotischen Steuer- und Sozialpolitik gelungen, in einem halben Jahr „allerorten Verunsicherung“ zu schaffen. Müller warf er vor, nichts dagegen zu unternehmen, daß die Firmen in Deutschland immer höher belastet würden. Die CDU-Politikerin Birgit Schnieber-Jastram sagte, noch nie habe ein Gesetz in so kurzer Zeit so viel Schaden angerichtet. Ihr Fraktionskollege Gunnar Uldall sagte, Müller setze sich zwar in Interviews für die Belange der Wirtschaft ein, lasse seinen Worten aber keine Taten folgen. Ähnliche Vorwürfe richtete die Opposition auch gegen Riester. Der Arbeitsminister ging nicht auf die Angriffe ein. Er bezeichnete den Etat 1999 als „Haushalt der Verantwortung“ gegenüber Arbeitslosen, Jugendlichen und den Sozialsystemen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen