: Riester verteidigt sich und seine Reform
■ Arbeitsminister sieht sich mit dem Kanzler einig und diesen mit der Fraktion
Bonn (dpa/AFP) – Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) sieht sich bei der umstrittenen Neuregelung der 630-Mark-Jobs wie bei dem Gesetz gegen die Scheinselbständigkeit in voller Übereinstimmung mit Bundeskanzler Gerhard Schröder. Meldungen über ein Zerwürfnis zwischen ihm und Schröder seien falsch, versicherte Riester gestern im ZDF. Auch gebe es in der SPD-Fraktion keinen Machtkampf der Sozialpolitiker gegen Schröder. Riester: „Die Fraktion steht voll hinter dem Kanzler.“
Ebenso wie Riester verteidigte auch Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) die Gesetze. „Wir können nicht tatenlos zusehen, daß seit Jahren in millionenfacher Weise reguläre Beschäftigungsverhältnisse durch 630-Mark-Kräfte ersetzt werden, oder daß Betriebe ihre Arbeitnehmer in die Scheinselbständigkeit entlassen, nur um Sozialbeiträge zu sparen“, sagte Müller der Welt am Sonntag. Er räumte ein, daß er mit dem Gesetz gegen die Scheinselbständigkeit nicht völlig zufrieden sei. Deshalb werde es überprüft. Stelle sich heraus, daß die Kritik berechtigt sei, müssen das Gesetz geändert werden, „und zwar zügig“. Kernstück des Gesetzes ist die Sozialversicherungspflicht für Selbständige, die nur für einen Arbeitgeber tätig sind.
Riester versicherte, er habe in der Auseinandersetzung nicht mit seinem Rücktritt gedroht. Von den 5,6 Millionen Beschäftigten mit 630-Mark-Jobs werden nach Riesters Angaben durch die Neuregelung 4,2 Millionen Menschen bessergestellt, weil sie jetzt Rentenansprüche erwürben. Er warnte davor, bei dem umstrittenen Gesetz zu schnell dem Druck der Arbeitgeber nachzugeben. Sollte sich in der Praxis herausstellen, daß Gesetze falsch formuliert seien, „bin ich der erste, der das ändert“.
Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT) kommt zu dem Ergebnis, daß durch die Neuregelung 800.000 Minijobs wegfallen: 40 Prozent der Stellen gingen verloren, in zwei Dritteln der Unternehmen fielen die Jobs ersatzlos weg. Bei drei Vierteln der Firmen fielen die Minijobs weg, weil sie wegen der höheren Abgabenlast nicht mehr interessant seien. Sieben Prozent der Unternehmen fürchten existenzgefährdende Auswirkungen, ergab die Umfrage unter 7.700 Unternehmen.
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