piwik no script img

Claudia Schiffer darf nun angebetet werden

■ Seit gestern hängt das Werbeplakat von L'Oréal am Glockenturm der Gedächtniskirche

Wenn Alexander Bütow zum Glockenturm der Gedächtniskirche blickt, spiegeln sich in den Gläsern seiner Sonnenbrille die Blondine Claudia Schiffer, die sehnsuchtsvolle Andie MacDowell und der Deutschen liebster Rennfahrer, Michael Schumacher. Nur die Fassadenkletterer fallen dagegen – rein größenmäßig – deutlich ab. Sie rollen in luftiger Höhe von 52 Metern ganz langsam, über rund sechs Stunden hinweg, das 2.350 Quadratmeter große Plakat mit den Konterfeis von insgesamt sechs Promiköpfen vom Turm ab. „Weil ich es mir Wert bin. L'Oréal Paris“, steht unter den Models, Schauspielern und Sportlern.

Und tatsächlich ist auch Alexander Bütow und Thomas Assies, Besitzer der Fubac GmbH, dieser Moment wertvoll. Ihre Firma zahlt die Renovierung des Glockenturmes von wenigstens 240.000 Mark und eine geheimgehaltene Tagesgage während des dreimonatigen Zeitraums der Renovierung an die Kirchengemeinde. Doch der einen Monat währende holde Blick der Schiffer und Kollegen, so lautet die Rechnung des Kosmetikkonzerns, wird den nötigen Absatz schon erlächeln. Und auch für die Restlaufzeit von zwei Monaten gebe es, so Bütow, weitere Interessenten, die Kirchenwerbung schalten wollen.

Und während sich die Konterfeis immer wieder in der Sonnenbrille des 26jährigen Bütow spiegeln, schildert er, wie er und Assies auf die Idee kamen, eine Fassadenwerbefirma zu gründen. „Wir fuhren über den Alexanderplatz und da war ein Gerüst ohne Werbung. Da kamen wir auf die Idee“, erzählt Bütow. Doch ist er froh, selbst nicht mehr auf dem Gerüst stehen zu müssen. „Bei unseren ersten Aufträgen habe ich auch Plakate aufgehängt. Aber wir mußten öfter mal abbrechen, weil ich so gezittert habe, daß ich die Plakate nicht mehr halten konnte“, erinnert er sich an die Zeit, die gerade vier Jahre zurückliegt.

Nun steht er zusammen mit seinem Firmenpartner Assies in schwarzem Anzug und Weste auf dem Trottoir und beobachtet entspannt die sechs Bergsteiger, die mit schwieligen Händen die harte Arbeit auf dem hohen Gerüst tun. „Alles Experten“, sagt Assies. Und während der eine Kletterer gerade eine kleine Pause am Fuße des Turms macht, kann man ihn sagen hören: „Ne, aufgeregt, wirklich nicht. Rein technisch ist das für uns kein Problem“, findet der Sportstudent, der in seiner Freizeit Bergsteiger ist. Angeseilt, in voller Montage, als ginge es auf die Überhänge an der Eiger-Nordwand, klettern die sechs Männer am Glockenturm ständig hin und her. Schwindelfreiheit gehört ab heute zum Werbegeschäft.

Doch so ganz ungefährlich, wie die Kletterer selbst gern glauben machen wollen, ist die Montage doch nicht. Während Torsten Nehls, Fachmann für Gerüste, den Bergsteigern über Walkie-talkie immer wieder Anweisungen gibt, erzählt er, daß „der Wind bei der herrschenden Windstärke zwei so stark ist, daß man an den Ecken des Gerüstes drei bis vier Meter vom Gerüst abgetrieben werden kann“. Doch von diesen Schrecken wissen die Passanten, die am Fuße des Turm stehengeblieben sind, nichts. Die meisten sind begeistert: „Ich finde das richtig schön“, sagt eine ältere Frau und blickt nach oben. „Die Kirche hätte die Renovierung überhaupt nicht bezahlen können. Und wenn, dann hätte hier drei Monate lang eine häßlich Bauplane gehangen.“

Damit spricht sie wohl vor allem einem Menschen aus der Seele, der in schwarzem Jackett und Hose mit einem silbernen Kreuz um den Hals erschienen ist und zahlreiche Interviews gibt. Pfarrerin Sylvia von Kekulé hat sich für diese unkonventionelle Idee der Finanzierung der Renovierung eingesetzt. „Ja, ich bin glücklich, daß alles geklappt hat“, sagt sie. Und dann blickt die ansonsten eher herbe Pfarrerin hoch zum Glockenturm, und ihr Lächeln ist in diesem Moment mindestens so hold wie das der Schiffer. Annette Rollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen