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■ KommentarHeillose Mechanik  Die Bomben auf die chinesische Botschaft zeigen die Widersprüche der Nato

Welche Bilder werden vom Kosovo-Krieg als Ikonen in unserer visuellen Erinnerung haftenbleiben? Neben dem Flüchtlingselend hat die Bombardierung der chinesischen Botschaft alle Chancen, als Symbol für diesen Krieg in das globale Bildergedächtnis einzugehen.

Denn dieses Bild zeigt dreierlei: Der Nato-Krieg definiert das Verhältnis des Westens zum Rest der Welt neu. Die Nato will militärisch und moralisch die globale Führungsmacht sein – das wird weltweit antiwestliche Ressentiments befördern. Die antiamerikanischen Massenproteste, die der Betonfraktion in der chinesischen Führung nutzen und alle zaghaften Versuche westlicher Menschenrechtspolitik erst mal zunichte machen, sind nur das Vorspiel der heillosen Mechanik, die die neue Nato-Rolle provozieren wird. Die Zerstörung der chinesischen Botschaft ist das Menetekel jener neuen globalen Nato-Politik, in der Moral, militärische Gewaltanwendung und Interessenspolitik eine diffuse, explosive Melange eingehen.

Zweitens: Die Bomben treffen die Falschen. Die erklärte Absicht der Nato, die Flüchtlinge zu schützen, wird mit jedem Tag, mit jeder Bombe auf serbische Zivileinrichtungen, mit jedem neuen Flüchtling in Makedonien, Albanien und Montenegro unglaubwürdiger. Auch daß die Nato noch immer versucht, die Zivilisten zu schonen, daß ihre Statistiken so beeindruckend günstig ausfallen, ist von dem Bild des in Schutt und Asche gelegten Botschaftsgebäudes dementiert worden.

Und drittens lenkt das Bild der zerstörten chinesischen Botschaft den Blick auf den inneren Widerspruch der Nato-Formel – mehr Bomben plus mehr Diplomatie ergibt irgendwann einen gerechten Frieden. Die Bomben auf die Botschaft trafen direkt Fischers Friedensplan, dessen Chancen auch von Chinas Zustimmung im UN-Sicherheitsrat abhängen.

Der Nato-Versuch, Bomben und Diplomatie zu verbinden, erinnert zusehends an Johnsons gußeiserne Formel, daß man Hanoi an den Verhandlungstisch zurückbomben werde. Der moralische Unterschied zwischen dem Vietnamkrieg der USA und dem Nato-Krieg im Kosovo ist offensichtlich. Trotzdem verdichten sich die Analogien: beides Kriege, die formell nie erklärt wurden, die begonnen wurden im gewissen Gefühl, schnell zu siegen, und deren Ziele in immer weitere Ferne rückten. Stefan Reinecke

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