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Übermalte Übermalungen

■ Das Abaton zeigt den Polit-Kunstkrimi Das Meisterspiel von Lutz Dammbeck

Ein Schüler des anerkannten österreichischen Kunstprofessors Arnulf Rainer erklärt Adolf Hitler zum besten Art-Direktor eines Gesamtkunstwerks und sieht in Techno die beste Vorbereitung zum Krieg und im Krieg das höchste Kunstwerk. Wenig später erschießt er sich im Sterbehaus Beethovens und Weiningers.

Solch seltsame Geschichten entdeckt der Hamburger Künstler-Filmemacher Lutz Dambeck im Umkreis eines Skandals, der sich 1994 in der Wiener Akademie ereignete: Der als Übermaler von eigenen und fremden Bildern berühmte Arnulf Rainer zeigt an, daß auf ebenso aufwendige wie mysteriöse Weise über 25 seiner von einer Retrospektive im New Yorker Guggenheim Museum zurückgekommenen Bilder schwarz übermalt wurden. Wer übermalte den Übermaler, der früher behauptete, es gäbe keine größere Lust, als die eigene Arbeit zu zerstören?

Der Film Das Meisterspiel untersucht den bisher ungeklärten Fall und zeigt dabei in sechzehn Sequenzen einen zunehmend düsteren kulturellen Abgrund. Es sind die Verknüpfungen von Kunst und Macht, die Lutz Dammbeck interessieren. In seinen eigenen künstlerischen Arbeiten und mit bisher drei Filmen geht Lutz Dammbeck dem Thema nach. In Zeit der Götter untersucht er 1992 anhand des NS-Bildhauerstars Arno Breker das Verhältnis von Klassizität und Totalitarismus, drei Jahre später rechnet er mit seiner eigenen Kunsthochschule in Leipzig ab und zeigt in Dürers Erben, wie in der DDR das Konzept des sozialistischen Realismus autoritäre Malerfürsten hervorbrachte. Nur logisch, daß nun das faschistoide Potential der westlichen Avantgarde und ihres Kunstmarkts auf dem Programm stand.

Anhand des Falls Arnulf Rainer wühlt Lutz Dammbeck lustvoll in der alten nationalsozialistischen Begeisterung der Österreicher, erfährt, daß der spätere Avantgardekünstler auf einer NS- Elite-Schule war, und kann eine Kärntner Cousine vorstellen, die das Guggenheim-Museum in New York als Wiesenthal-Museum bezeichnet und sich beschwert: „Es hat immer entartete Kunst gegeben, aber das sie so stark gefördert würde....“ Doch was hier ewig gestrig klingt, ist durchaus eine reale Position. Auch der französische Meisterdenker Baudrillard kritisiert heftig die Avantgarde-Kunst und angesichts postmoderner Beliebigkeit sehnen sich immer mehr Menschen nach einem klareren Kulturleitbild.

Lutz Dammbeck führt in den spielerisch kombinierten Kapiteln nicht nur verschiedene Lösungsansätze für den bis heute ungeklärten Kunstkrimi vor, er verändert auch unmerklich die Genres: Aus dem Dokumentarfilm wird ein Krimi, aus Kunstpositionen blutiger Ernst und das Spiel gerät zur umfassenden Verschwörungstheorie. Und Wien wird wieder zur kulturellen Wetterecke des imaginären deutschen Reichs. Hajo Schiff Das Meisterspiel: ab Do, 13. Mai, Ein Tag mit Lutz Dammbeck: 17. Mai, Mo, ab 16 Uhr (in Anwesenheit des Regisseurs), Abaton

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