: Römisches Spitzenamt mit Verfallsdatum
Ciampi, Jervolino oder Bonino? Am Donnerstag wählt Italien einen neuen Staatspräsidenten – der aber wahrscheinlich nur einige Monate, bis zur Einführung der Direktwahl, amtieren soll ■ Aus Rom Werner Raith
Es wird das zehnte sein seit Gründung der „Italienischen Republik“ und möglicherweise das Staatsoberhaupt mit der kürzesten Amtszeit: Am Donnerstag versammeln sich 1.010 Volksvertreter – alle Abgeordneten und Senatoren sowie 58 Vertreter der Regionen – zur ersten Abstimmung über das zukünftige Staatsoberhaupt. Da eine Wahlrechtsreform erst in einigen Monaten erwartet wird, verläuft das Procedere diesmal noch wie gehabt: In den ersten beiden Durchgängen ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich, danach reicht die absolute Mehrheit der Stimmberechtigten.
Bisher starten in der „Pole-position“ (wie Italiens Zeitungen es im Rennfahrer-Jargon nennen) die Innenministerin Rosa Russo Jervolino, 54, und der amtierende Schatz- und Haushaltsminister Carlo Azeglio Ciampi, 72. Er genießt seit Jahrzehnten eine hohe internationale Reputation – zuerst als Gouverneur der italienischen Notenbank, später als Ministerpräsident, dann, in den vergangenen beiden Jahren, zusammen mit Romano Prodi als Architekt der Haushaltssanierung, die für Italiens Euro-Mitgliedschaft erforderlich war.
Russo Jervolino gilt seit ihrer Zeit als Gesundheitsministerin Anfang der 90er Jahre als brave Administratorin. In den vergangenen Wochen heimste sie als hervorragende Organisatorin der Notunterkünfte für die Flüchtlinge aus dem Kosovo Lob ein – Italiens Zelte in Kukes standen in der Tat bereits eine Woche nach Kriegsausbruch, lange vor denen der anderen Helferstaaten.
Als Außenseiterin startet die von der kleinen Radikalen Partei kommende streitbare EU-Kommissarin Emma Bonino, um die sich eine vielhunderttausendköpfige Bürgerinitiative geschart hat. Das Problem, das die Wahlmänner diesmal haben, geht über das der früheren Jahren hinaus. Zwar sind mit dem Amt des Staatspräsidenten noch immer genau dieselben Rechte und Pflichten wie seit Kriegsende verbunden, und das sind deutlich mehr als etwa in der Bundesrepublik Deutschland: Das Staatsoberhaupt hat die Macht, bei Regierungskrisen das Parlament auch ohne Beschluß der Volksversammlung aufzulösen oder ein Minderheitskabinett zu ernennen, das nur ihm verantwortlich ist; außerdem sitzt der Staatspräsident dem Obersten Richterrat vor, dem Selbstverwaltungsorgan der gesamten Rechtsprechung.
Doch in den nächsten Monaten soll eine Verfassungsänderung die Direktwahl des Staatspräsidenten durch das Volk einführen. Und in diesem Falle erwarten die Reformbefürworter, daß das nun zu wählende Staatsoberhaupt sofort zurücktritt, um die Direktwahl seines Nachfolgers zu ermöglichen. Verfassungsrechtliche Handhabe für einen solchen Rücktritt gibt es jedoch nicht. So könnte am Ende ein Kompromißkandidat (vielleicht sogar Präsident Oscar Luigi Scalfaro selbst noch einmal) gewählt werden, der sich nur zu einem verpflichtet: zurückzutreten, wenn es von ihm gewünscht wird.
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