piwik no script img

Teppichratten im Kaufhaus

■  Zitatpop für die Erschließung ganz neuer Fankreise: „Rugrats – der Film“

Es ist so, wie wir es immer vermutet haben: Miteinander unterhalten sich Kleinkinder in vollständigen Sätzen; erst wenn Erwachsene in Hörweite kommen, spielen sie das brabbelnde Baby. Das ist das einfache wie Möglichkeiten eröffnende Prinzip der „Rugrats“.

Die „Teppichratten“, erfunden von der Animations-Produktionsfirma „Klasky Csupo“, die auch mitverantwortlich für das Entstehen der „Simpsons“ war, haben sich in den USA seit 1991 nicht nur zur erfolgreichsten TV-Serie bei den unter 11jährigen gemausert, sondern auch drei Emmys gewonnen. „The Rugrats Movie“ stellte einen Startrekord für einen Animationsfilm auf, der nicht aus dem Hause Disney kommt, und spielte bereits am ersten Wochenende mehr als seine 25 Millionen Dollar Produktionskosten ein.

Insgesamt hat der Film inzwischen 82 Millionen umgesetzt, im Animationsbereich nur geschlagen von den beiden Insektendramen „Antz“ und „A Bug's Life“. Geschätzte 100 Millionen Dollar hat Heimatsender Nickelodeon ins Marketing der Serie gesteckt. Auch „Burger King“ hat eine mehrere Millionen Dollar teure Werbekampagne gestartet. Sogar für die Automobilindustrie sind die „Rugrats“ interessant: Die 25 Millionen Dollar teure Werbekampagne für den Minivan von Lincoln-Mercury ist die größte Kooperation zwischen Film- und Autoindustrie aller Zeiten.

Trotz aller Synergieeffekte setzt der Film die intelligente Beschäftigung mit der Eltern-Kind-Problematik der Serie fort. Die bekannte windeltragende Besetzung wird um Nachwuchs erweitert. Tommy Pickles, der einjährige Protagonist, bekommt einen kleinen Bruder, dem seine Eltern den Namen Dylan geben. Dylan und Thomas („Auf diesen Witz haben wir lange gewartet“, sagt Produzentin Arlene Klasky) konkurrieren um die Liebe der Eltern, gehen auf der Suche nach dem „Kindergeschäft“, wo man den kleinen Dylan umtauschen wollte, im Wald verloren und raufen sich wieder zusammen.

Für den Film wurde der recht rohe, mitunter an die „Peanuts“ erinnernde Zeichenstil der Serie, teilweise auch mit Hilfe von Computeranimation, auf Kinoformat aufgeblasen. Trotzdem sieht man immer noch, daß die „Rugrats“ vor allem Fernsehen sind. Aber im Gegensatz zu den perfekt-glatten Disney- oder Dreamworks-Produktionen beruhte ihr Erfolg schon immer auf den liebenswerten Charakteren und auf Geschichten, die zwar leicht dramatisch überhöht werden, aber trotzdem realistisch den Familienalltag beschreiben. Wenn hier ein neues Baby geboren wird, ist nicht alles Sonnenschein, sondern steht das vertraute Beziehungsgeflecht in Frage. Wenn hier Kinder schreien, dann schreien sie auch richtig, der Mund nur noch ein großes dunkles Loch. Bei den Eltern werden die Augenhöhlen immer tiefer nach den durchwachten Nächten, und wenn die bereits dreijährige Cousine einem Prügel androht, wartet sie mit der Umsetzung auf die nächste Werbepause.

Trotzdem vertraut der Film nicht allein auf die Umsetzung des Alltags. Die Odyssee durch den Wald spart nicht mit von der Serie her eher ungewohnter Action und Gruseleffekten. Der Trip ins Krankenhaus ist eine einzige Parodie, die in einem von Busby Berkleys Revuefilmen inspirierten Wasserspiel aus Kinderpisse gipfelt. Überhaupt soll mit Anspielungen auf Filme wie „Jäger des verlorenen Schatzes“, „2001“ oder „Auf der Flucht“ ein Publikum erschlossen werden, das dem klassischen Zielpublikumsalter bereits entwachsen ist. Deshalb wurden wohl Mark Mothersbaugh, Gründungsmitglied der New-Wave-Helden Devo, als Songschreiber (im Original) und Iggy Pop, Patti Smith, Laurie Anderson, die B 52's und Lenny Kravitz für den Neugeborenenchor verpflichtet.

Für Einsteiger: Nachdem Nikkelodeon sich vom deutschen Markt zurückgezogen hat, wird die Serie von Pro 7 unter der Woche morgens vor sieben Uhr weggesendet. Am Sonntag ist die Windelbrigade erst ab acht Uhr morgens zu sehen. Thomas Winkler

„Rugrats – Der Film“. Von Arlene Klasky und Gabor Scupo. Buch: David Weiss & David Stem, USA 1998, 80 Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen