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„Wir bilden Künstler aus“

■ Die anthroposophische Kunsthochschule Alanus beantragt als erste private Einrichtung staatliche Anerkennung. Für die Schüler bringt dies Vorteile, dennoch sind nicht alle dafür

„Entdeckendes Lernen“ auf der Grundlage der Anthroposophie heißt das Grundkonzept der 1973 gegründeten Alanus-Hochschule im rheinländischen Städtchen Alfter. Die freie private Kunsthochschule hat im März beim nordrhein-westfälischen Bildungsministerium die staatliche Anerkennung beantragt. „Es wird schwierig werden“, meint der Geschäftsführer des selbstverwalteten Instituts, Manfred Opielka. „Alanus wäre die einzige private Kunsthochschule, die staatlich anerkannt ist. Aber wir sind optimistisch. Dann könnten unsere Studenten Bafög bekommen und hätten einen offiziellen Hochschulabschluß.“ Derzeit gibt es 25 staatliche Kunsthochschulen in Deutschland.

Der Zisterziensermönch Alanus ab Insulis (1120 bis 1203), ein Dichter und Theologe, stand Pate für die freie Kunsthochschule. An ihr lehren 18 hauptamtliche und 60 Gastdozenten die Fächer Architektur, Bildhauerei, Malerei, Sprachgestaltung/Schauspiel und Eurythmie. Die Berufsfelder sind freie Kunst, Kunsttherapie, Kunst, Waldorf- und Kulturpädagogik. Ein Musikstudiengang wurde 1993 aufgegeben, soll aber wieder eingeführt werden. Seit ihrer Gründung verließen 1.500 Studenten die Schule, die meisten von ihnen mit Diplom. Das Abitur ist keine Voraussetzung für die Aufnahme des Ganztagsstudiums. Auch eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Rund 250 Studenten lernen an der Schule, Tendenz leicht sinkend. Die meisten sind in den bildenden Künsten eingeschrieben, rund 50 von ihnen machen jedes Jahr ihren Abschluß. Die Studenten müssen 400 Mark monatlich bezahlen und decken damit gut die Hälfte des Jahreshaushalts von rund zwei Millionen Mark. Seit 1975 werden Zuschüsse nach dem NRW-Weiterbildungsgesetz gewährt, die derzeit rund 20 Prozent des Etats ausmachen. Der Rest kommt über Spenden und Vermietungen herein.

„Das Besondere unserer Schule ist, daß wir den Schwerpunkt auf soziale Kunst legen“, sagt der Geschäftsführer. Schöpferische Selbsterziehung, sensibles Einfühlungsvermögen und interdisziplinäre Dialogbereitschaft seien, so eine Infobroschüre, keine Schlagworte, sondern Existenzgrundlage der Schule. Berufsbezogene Ausbildung ist an der Alanus-Hochschule selbstverständlich. Ab dem zweiten Studienjahr werden Praktika in den möglichen Arbeitsfeldern angeboten. Rund 20 Prozent der Studenten stammen aus dem Ausland, 15 Prozent sind ehemalige Waldorfschüler.

Eine von ihnen ist Dorothea Schupp. Die 23jährige befindet sich im Abschlußjahr des vierjährigen Studiums im Fach Sprachgestaltung/Schauspiel. Sie hält nicht viel von einer staatlichen Anerkennung: „Das ist ein fauler Kompromiß, dann muß man sich an bestimmte Richtungen halten. Und wer will bei der Kunst bestimmen, was richtig ist?“ Mit dieser Ansicht befindet sie sich in der Studentenschaft allerdings in der Minderheit. „Die meisten finden's richtig“, sagt sie, hat aber trotzdem die Befürchtung, daß dann etwas verloren geht und die Schule konventioneller wird. „Und das ist Gift für die Kunst.“

Ein staatlicher Abschluß ist für die Studentin keine Garantie für eine spätere gute Anstellung, ihr kommt es auf andere Referenzen an: „Wenn man, wie hier, zu Kreativität, Selbständigkeit und sozialer Verantwortung ermuntert wird und lernt, mit sich selber umzugehen, kriegt man immer Arbeit. Und das Studium macht total Spaß.“ Doch bei aller Begeisterung für ihre Schule, für das „gegenseitige Befruchten“ der verschiedenen Künste und die familiäre Atmosphäre hat sie im dritten Jahr doch auch schon einmal daran gedacht, wegzugehen. „Das geht ans Eingemachte, wenn man von morgens bis abends und oft auch nachts mit den gleichen Leuten zusammen ist, auch privat. Da kommt man schnell an Grenzen, weil man sich nicht mehr verstekken kann.“

Das Wort Eliteschule mag sie gar nicht, und so ist ihrer Meinung nach auch eine Reduzierung des Finanzierungsanteils aus Studiengebühren durch eine mögliche staatliche Anerkennung kein Argument. Für sie waren die 400 Mark monatlich kein Hinderungsgrund bei der Aufnahme des Studiums, weil sie zum Teil von den Eltern unterstützt wird. „Und viele Studenten hier bekommen gar keine Unterstützung und müssen arbeiten, und das geht auch.“

Geschäftsführer Opielka ist überzeugt, daß die Alanus-Berufsabschlüsse denen staatlicher Kunsthochschulen vergleichbar sind. „Wir bilden Künstler aus“, sagt der mögliche zukünftige „Direktor“ selbstbewußt. Im nordrhein-westfälische Bildungsministerium ist man von dieser Gleichwertigkeit noch nicht ganz überzeugt. Bei einem „sehr freundschaftlichen und konstruktiven Gespräch“ Anfang Mai seien die Vertreter der Alanus-Hochschule aufgefordert worden, ihren Antrag noch einmal zu überarbeiten, berichtet Harald Wellbrock, Pressereferent des Ministeriums. „Wir brauchen zur Prüfung ein Konzept, das dem einer staatlichen Hochschule entspricht. Das liegt uns in der benötigten Ausführlichkeit noch nicht vor.“ Ungeklärt seien vor allem finanzielle, formale und inhaltliche Aspekte, die man im Ministerium nicht genauer nennen will. „Aber wir schließen eine Anerkennung im Moment nicht aus.“ Katharina Körting

Die meisten StudentInnen sind für die staatliche Anerkennung,andere hingegen nennen sie einen faulen Kompromiß

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