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Machtwechsel möglich

Zwei Tage vor der Wahl spricht in Israel laut Umfragen alles für einen Sieg der Opposition  ■   Aus Jerusalem Susanne Knaul

Zwei Tage vor Israels Premier- und Parlamentswahlen dauert der Sympathietrend für Oppositionsführer Ehud Barak unverändert an. Sämtliche Meinungsforschungsinstitute sind sich einig, daß Barak das Rennen gegen Premier Benjamin Netanjahu gewinnen müßte, möglicherweise sogar in der ersten Wahlrunde. Während einige Vorhersagen von bis zu 13 Prozentpunkten Vorsprung schon in der ersten Wahlrunde reden, sind die Umfrageergebnisse von Chanoch Schmidt, der seit 50 Jahren das Wahlverhalten in Israel beobachtet und als einer der genausten „Propheten“ gilt, weniger dramatisch. Nur sechs Prozent Vorsprung für Barak indiziert seine Untersuchung. Das ist trotzdem bemerkenswert, denn vor drei Wochen hätte Schmidt noch jede Wette auf Netanjahu gehalten.

Die jüngsten Umfrageergebnisse verstärken den Druck auf die beiden Premierskandidaten im linken Lager, Jizhak Mordechai (Zentrumspartei) und Asmi Bishara (Balad), aus dem Wahlkampf zu Gunsten von Barak auszusteigen.

Dieser steht nach Umfragen des Meinungsforschungsinstituts „Gallup“ bei derzeit 48,5 Prozent gegenüber dem regierenden Ministerpräsidenten mit 35,5 Prozent. Möglicherweise würde der Oppositionsführer die notwendige absolute Mehrheit schon im ersten Wahlgang erhalten, wenn allein Bishara, der derzeit bei 2,5 Prozent steht, seine Kandidatur zurückzieht. Jizhak Mordechai bleibt allem Anschein nach bis zum Schluß im Rennen. „Er ist dickköpfig wie ein Esel“, soll einer aus Mordechais führender Viererriege in der Zentrumspartei über den Parteichef gesagt haben.

Auch für die zweite Wahlrunde, die – sollte keiner die absolute Mehrheit erringen – am 1. Juni abgehalten würde, hätte Barak, den derzeitigen Umfragen nach, einen Vorsprung von 14,8 Prozent gegenüber Netanjahu. Eine zweite Wahlrunde könnte dennoch verhängnisvoll für den Kandidaten der Arbeitspartei werden, sollte es zu unvorhergesehenen Entwicklungen kommen. Die Schließung dreier Büros im Ost-Jerusalemer Orient-Haus steht auf der Agenda. Eine neue Gewaltwelle, möglicherweise gar ein Terrorakt, könnte das Blatt schlagartig wenden.

Der Grund für den anhaltenden Trend in Richtung Ehud Baraks liegt nach Meinungsforscher Schmidt vor allem bei den aus Europa stammenden Juden, die bislang eher den rechten Likud wählten, sich indes nicht mit dem Parteichef Netanjahu identifizieren können. Es käme deshalb zu dem in Israel völlig neuen Phänomen der „Kreuzwahl“. Die von Netanjahu Enttäuschten „geben eine Stimme dem Likud und die zweite Barak“.

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