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Kunst und Kommerz

■ Mobile Verkaufskunst und -gunst: „Why Do You Shop?“ setzt sich mit dem alltäglichen Konsummasochismus auseinander

Verheißungsvoll silbrig glänzt der Oldtimerbus von Judith Wilske. Die Ökonomin und Künstlerin brilliert im Rahmen des Kampnagel-Festivals Junge Hunde mit einer so schlichten wie genialen Idee: Why Do You Shop? fragt sie sich – und jeden, der den Wohnwagen betritt. Dabei kommen einem die Gretchenfragen des Gewerbes in den Sinn: die nach Kunst und Kommerz, Kunst und Konsum, Kunst und Wirklichkeit. Antworten hat Judith Wilske aber nicht parat. Im Gegenteil, sie bombardiert den Interessenten mit weiteren Fragen, imitiert die Marktforschung und erstellt gemeinsam mit dem willigen Besucher dessen Käuferprofil.

Das ist ein Stück Selbsterkenntnis, sofern man die Kaufkategorien nicht zu ernst nimmt. Zudem lockt das Rollenspiel von Käufer und Verkäuferin, und wer das Thema Ankauf gleich in die Praxis umsetzen möchte, hat dazu Gelegenheit: Von Streichholzschachteln über Taschen bis zu T-Shirts reicht das Souvenir-Sortiment.

Kaufen oder Nichtkaufen? Oder gar Stehlen? Als Entscheidungshilfe steht ein Würfel bereit, der auch außerhalb des Shopping-Caravans einzusetzen ist. Auf den Artikeln ist jedenfalls nochmals der Titel der Aktion zu lesen. Die Frage „Warum kaufst du ein?“ verwandelt die Gegenstände in Träger philosophischen Gedankenguts. Besonders Sparsame hätten sich sicher ein Portemonnaie mit dem Aufdruck gewünscht – aber hier geht es nicht um die Ermahnung, sondern um die Anregung, sich mit Konsummasochismus allgemein und dem eigenen insbesondere auseinanderzusetzen.

Bis zum 5. Juni wartet der Caravan abwechselnd auf Kampnagel, am Gerhart-Hauptmann-Platz, am Hauptbahnhof, am Fischmarkt und am Alma-Wartenburg-Platz auf Kundschaft. Am 4. Juni gibt es beim Clubabend auf Kampnagel den „Abend für fortgeschrittene Einkäufer“. Auf daß aus Einkaufen mehr wird! giso

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