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Tankerwand angefressen

■ Doppelte Böden sollen Öltanker besser schützen. Doch Bakterien knabbern daran

Oslo (taz) – Im vergangenen Jahr war die Ölverschmutzung durch havarierte Tankschiffe so niedrig wie noch nie, meldet „Intertanko“, die in Oslo ansässige Internationale der Tankschiffreedereien. „Nur“ 10.000 Tonnen Öl seien von Tankern in die Meere gelangt. Bei einem Transportvolumen von fast 2 Milliarden Tonnen sei das eine „Transportsicherheit“ von 99,95 Prozent. Doch neue Untersuchungen kratzen am Image der supersicheren Öltanker mit einer Doppelwand: Bakterien fressen die innere Stahlhülle offensichtlich regelrecht auf.

Tatsächlich wurden die Meere im internationalen Jahr der Ozeane 1998 von einer der ganz großen Tankerhavarien verschont. Seit 1993 müssen alle Tankerneubauten mit doppeltem Boden ausgestattet sein. Das hat laut „Intertanko“-Statistik dazu geführt, daß mittlerweile immerhin 910 von rund 3.000 Tankern auf einem Doppelrumpf herumschippern, der zumindest bei leichteren Kollisionen einen Ölaustritt verhindern kann. Doch die stolzen „Intertanko“-Zahlen erweisen sich bei näherem Hinsehen als allenfalls halbe Sicherheitswahrheit. Nicht nur dürfen ältere Rosttanker noch weitere 16 bis 26 Jahre die Ozeane unsicher machen, bei den meisten doppelbödigen Neubauten handelt es sich um kleine Tanker. Von den Riesenschiffen mit über 200.000 Tonnen haben bislang gerade 78 von 430 Pötten den Sicherheitsboden: ganze 18 Prozent. Einzelne Regierungen haben zwar ihre Häfen für Tanker ohne doppelten Boden gänzlich verboten oder durch spezielle Sicherheitsaufschläge extrem teuer gemacht. Doch weltweit sind die einwändigen Supertanker mangels Einsatzmöglichkeiten weiter rentabel.

Auch der Doppelboden ist offenbar noch nicht der Weisheit letzter Schluß. Zum einen können sie nur bei leichteren Kollisionen einen vollen Schutz bieten – das sind laut Wilhelm Magelsen von der Klassifizierungsgesellschaft „Norske Veritas“ etwa 50 bis 70 Prozent aller Unglücke. Zum anderen hat die Fünfjahres-Kontrolle der ersten nach 1993 gebauten Doppeltanker für viele Tankreedereien eine unangenehme Überraschung mit sich gebracht: Bei vielen Tankern wird die innere der beiden Schiffswände von Bakterien, die den Doppelboden als ideale Lebensumwelt für sich entdeckt haben, regelrecht aufgefressen. Eine dünne Wasserschicht und die höhere Temperatur in doppelbödigen Schiffsrümpfen läßt spezielle eisenfressende Bakterien bestens gedeihen. In fünf Jahren können diese eine Stahlwand von 20 mm Stärke zu 40 Prozent verspeisen. Die Kapitäne haben damit plötzlich und unerwartet ähnliche Probleme am Hut wie die Schiffer im Mittelalter, die sich darum sorgen mußten, daß Holz- und andere Würmer sich langsam durch ihre hölzernen Schiffsplanken fraßen. Die Bakterien sind zunächst ein Kosten- und kein Umweltproblem, solange die inneren Tanks noch nicht vollständig durchlöchert sind und das Öl nicht in die Ballasttanks dringt. Die Schäden sind auch zu beheben, „aber das kann teuer werden“, so „Intertanko“-Direktor Erik Ranheim. Reinhard Wolff

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