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■ Komitee für Rostbratwurst

Im thüringischen Weimar ist man ohnehin seit längerem nicht gut zu sprechen auf den Kulturstadtchef Bernd Kauffmann – was möglicherweise in der Natur der Sache liegt, denn der Mann wurde aus dem Westen importiert. Jetzt hat sich's der Feingeist aber endgültig mit den Eingeborenen verscherzt. Der Grund: Der Kulturfunktionär hat verfügt, daß an sämtlichen Spielstätten der Stadt keine Rostbratwürste mehr gegrillt werden dürfen. „Kauffmann möchte nicht, daß Grillschwaden seine Ballettgäste einnebeln“, zitiert die Bild-Zeitung eine Sprecherin des Wurstfeindes.

Selbstverständlich wollen sich die Ossis von einem Kulturfuzzi aus dem Westen nicht das Essen beibringen lassen. Sogar ganz oben regt sich Protest: „Man richtet großen Schaden an, wenn unsere Spezialität aus den Kulturstadt-Veranstaltungen verschwindet“, warnt zum Beispiel Weimars Oberbürgermeister Volkhardt Germer. Fragt sich bloß, wem hier geschadet wird: Der Wurstindustrie in der Region? Den Verdauungstrakten der Kulturtouristen, die an Thüringer gewöhnt sind? Oder dem weltweiten Ansehen dieses Bundeslandes, das seinen Bekanntheitsgrad außerhalb des ostdeutschen Sprachraums ja im wesentlichen seines von der Deutschen Presseagentur so genannten „Nationalgerichts“ zu verdanken hat.

Womöglich hat der Junk-food-Gegner Kauffmann mit seinem Verbot die Strategen des hiesigen Schnelleß-Gewerbes aufgerüttelt. Innovationen sind jetzt gefragt, wenn man in Weimars Kulturtempeln noch eine Mark machen will. Die Branche braucht Fast-food-Designer, die kultivierte, ballettgästekompatible und geruchsarm zubereitete Speisen kreieren.

Immerhin darf sich Kauffmann sicher sein, daß er im Geiste Goethes gehandelt hat. JWG dürfte Junkfood gemieden haben, als ein vielseitig aktiver, sogar talentierter Freizeitsportler brauchte er ordentlichen Stoff. Daß er nicht nur Gutes geschrieben, sondern auch Gutes gegessen hat, läßt sich guten Gewissens sagen, auch wenn eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Forschungsarbeit zu diesem Thema leider noch nicht vorliegt.

Der Bratwurstkrieg von Weimar wirft nicht zuletzt die Frage auf, ob die „Komitees für Gerechtigkeit“ nicht wieder aktiv werden sollten. Mag ja sein, daß sie sich zu Recht von der Geschichte beurlaubt haben, aber jetzt haben sie endlich wieder eine Mission: Rettet die Thüringer Rostbratwurst! René Martens

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