: Schalom: Barak gewählt Bye, bye: Bibi muß heim
■ Enthusiastisch feiern Wählerinnen und Wähler die Niederlage Netanjahus und den Sieg Baraks, warnen aber vor einer Koalition mit den Ultraorthodoxen von der Schas-Partei. Der Westen hofft mit Israel auf den Frieden im Nahen Osten
Jerusalem (taz)– Die Wahl von Ehud Barak zum neuen Ministerpräsidenten ist mit unverhohlener Erleichterung aufgenommen worden – in Israel und weltweit. Zahlreiche Regierungschefs haben den Sieg des Spitzenkandidaten der bisher oppositionellen Arbeitspartei begrüßt. Auf eine „rasche Überwindung des Stillstands“ im Friedensprozeß hofft nun auch Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sich zudem „auf eine enge Zusammenarbeit“ mit Ehud Barak freut, um die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu vertiefen. Ebenso gratulierte Jacques Chirac dem Wahlsieger Barak: „Ihr Erfolg weckt auch Hoffnung auf den Frieden.“ Nach dem vorläufigen Endergebnis erhielt Barak 56 Prozent der Stimmen, der bisherige Amtsinhaber Netanjahu brachte es auf 44 Prozent.
Während bei Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen zunächst Jubel bei der palästinensischen Führung ausbrach, melden sich unterdessen schon besorgte Stimmen über die ersten Äußerungen Baraks hinsichtlich des Friedensprozesses.
Die Richtlinien des künftigen israelischen Regierungschefs für die Friedenspolitik unterscheiden sich kaum von denen des scheidenden Premierministers Benjamin Netanjahu. „Jerusalem wird immer vereint und unter jüdischer Kontrolle bleiben“, sagte Barak vor seinen Anhängern in Tel Aviv. Deren Begeisterung für „Ehud, den Großen“ und „Ehud, den Zauberer“ nahm allerdings sichtlich ab, als dieser weiter von der „Aufrechterhaltung jüdischer Siedlungen“ sprach. In Sprechchören skandierten die linken Friedensaktivisten daraufhin wiederholt: „Schimon Peres! Schimon Peres!“ Baraks Vorgänger im Amt des Parteivorsitzenden verfolgte stets eine viel kompromißbereitere Linie als Barak.
Saeb Erekat, Chefunterhändler der palästinensischen Friedensdelegation, kommentierte die Rede Baraks mit Bedauern: „Es ist schade, daß Barak seine Regierungszeit mit Stellungnahmen beginnt, die den Friedensprozeß behindern können.“ Unterdessen erinnerten Palästinenservertreter daran, daß sie „nicht ohne Absicht die Ausrufung des Staates Palästina verschoben haben“.
Die Euphorie unter den linken Friedensaktivisten, die nicht nur von der Arbeitspartei kamen, sondern in großer Anzahl vom linken Parteibündnis Meretz, konzentrierte sich so auch nicht unbedingt auf den Sieg Ehud Baraks, sondern mehr auf die Niederlage Benjamin Netanjahus. „Bye, bye, Bibi!“ stand auf vielen Aufklebern und „Netanyahu. Who?“. Anstelle von Lobgesängen auf den neuen Regierungschef sangen die Sprechchöre enthusiastisch: „Er ist arbeitslos“ und „Bibi geht nach Hause“.
Für die Israelis scheint der Frieden im eigenen Volk dringender zu sein als der Frieden mit den Nachbarn. Ehud Barak versprach, sich der Sache anzunehmen: „Nur wer Frieden im eigenen Haus hat, kann auch Frieden mit seinen Nachbarn machen.“ Der Frieden in den eigenen Reihen bedeutet allerdings, daß Absprachen mit religiösen, möglicherweise nationalreligiösen Koalitionspartnern getroffen werden müssen, die wiederum alles tun werden, um die bevorstehenden territorialen Kompromisse in der Westbank so weit wie möglich zu beschneiden. „Nur nicht Schas!“ riefen die Leute auf dem Tel Aviver Rathausplatz. Als erstes traf Barak gestern nachmittag den Chef der Einwandererpartei, Scharansky, zu Beratungen über die neue Regierung.
Barak muß den riesigen Scherbenhaufen wegräumen, den ihm sein Vorgänger hinterläßt. Daß er dabei nicht nur auf eigene Kräfte vertraut, zeigt vielleicht auch der Appell an seine Wähler: „Betet, damit wir Erfolg haben werden“, sagte er, wobei er mit auffallend häufigem Zitieren des Heiligen Buches möglicherweise schon ein Signal an die künftigen Koalitionspartner mit der Kipa auf dem Kopf geben wollte. Susanne Knaul
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