: „Beamte sind erschreckend wenig gebildet“
■ Der Chef der Landesschutzpolizei, Gernot Piestert, übt überraschend harte Kritik an Beamten
Wenn die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zum Thema Hauptstadtfähigkeit der Berliner Polizei lädt, geschieht dies meist, um über fehlende Sicherheitskonzepte und die miese Haushaltslage zu klagen. Auf der gestrigen GdP-Fachtagung über die „Anforderungen an die Berliner Polizei in den kommenden Jahren“ ging es jedoch um weit mehr. Der als Referent geladene Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert eröffnete eine Debatte über die mentale Hauptstadtfähigkeit der Berliner Polizei.
Der Chef von rund 16.500 Beamten ließ zwar keinen Zweifel daran, daß er seine Mannen und Frauen für außerordentlich qualifiziert hält. Trotzdem ging er mit dem Berufsstand hart ins Gericht. Die „persönliche und soziale Kompetenz“ lasse bei vielen sehr zu wünschen übrig. Wundern tue ihn dies nicht, nachdem er neulich bei einer Fachtagung erfahren habe, daß „ein überproportional großer Teil von Polizisten aus Verhältnissen kommt, in denen Gewalt an der Tagesordnung ist“. Kulturell, politisch und historisch seien viele Beamte „erschreckend wenig gebildet“. Die Kommunikationsfähigkeit reduziere sich auf eine „Comic- und Sprechblasendsprache“. Aber nicht nur bezüglich der deutschen Sprache bestehe großer Nachholbedarf, stellte er fest. „Wir brauchen dringend Fremdsprachenunterricht auf einer sehr breiten Basis für alle Polizisten im Zuge der Hauptstadtwerdung.“
Piesterts Idealbild eines Beamten: souverän, gelassen, freundlich, streßresistent und tolerant. Auch berufsethische Maßstäbe müßten bei der Ausbildung mehr beachtet werden. „Statt dessen“, so Piestert, „bilden wir Rechtsmonster aus.“ Beim Führungspersonal vermißt Piestert gelegentlich die Verantwortung für Mißerfolge und das Eingestehen von Fehlern sowie Geduld und Selbstbeherrschung.
Als Beispiel verwies er darauf, daß sich einige „hochrangige Polizeiführer“ kürzlich bei einer Dienstbesprechung wegen einer Differenz beinahe geprügelt hätten. Oder daß die bei der am 1. Mai in Kreuzberg zur Deeskalation eingesetzten Beamten der AHA-Kampagne (Aufmerksamkeit, Hilfe, Appelle) von den eigenen Kollegen als „Softies, Warmduscher und Safttrinker“ diffamiert worden seien.
Der Bundesvorsitzende der GdP, Norbert Spinrath, wertete die „erstaunlich offene und kritische Rede“ von Piestert als Zeichen dafür, „daß er die Politik und Polizeiführung auf einen entsprechenden Kurs bringen will, wohlwissend, daß er dafür einen Teil der Verantwortung trägt“. Spinrath selbst ist auch der Auffassung, daß die Berliner Polizei davon wegkommen muß, den preußischen Polizeibeamten zu personifizieren. Piestert antwortete auf die Frage, warum er das Thema ausgerechnet auf der Gewerkschaftstagung angeschnitten habe: „Die GdP muß auch dazu beitragen, daß sich die Einstellung der Polizisten ändert.“ Plutonia Plarre
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen