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Arye Deri und Benni Begin verzichten auf ihr Mandat

Eine Mehrheit von Baraks „Ein Israel“ will lieber eine Koalition mit dem Likud als mit der Schas  ■   Aus Jerusalem Susanne Knaul

Der Parteivorsitzende der drittgrößten Knesset-Fraktion, Schas, will auf sein Abgeordnetenmandat verzichten. Den Parteivorsitz will Arye Deri indes beibehalten, obschon er aller Wahrscheinlichkeit nach in Kürze eine vierjährige Haftstrafe antreten muß. „Ich werde nicht zurücktreten, um Gottes Willen nicht“, versprach Deri in der Nacht zum Mittwoch seinen Anhängern.

Ehud Barak, Israels künftiger Ministerpräsident, hatte im Vorfeld der Wahlen eine Koalition mit der Schas strikt abgelehnt, solange die Partei unter Deris Führung bleibt. Barak begrüßte gestern Deris Rücktritt als Abgeordneter. Möglicherweise wird ihm dieser Schritt doch ausreichen.

In den Reihen von Baraks Liste „Ein Israel“ kam unterdessen scharfe Kritik an einem möglichen Zusammengehen mit der Schas auf. Ganz offensichtlich zieht die Mehrheit der Liste eine Koalition mit dem konservativen Likud vor. Die ultraorthodoxe Schas, die fast ausschließlich von orientalischen Juden gewählt wurde, hatte sich in den vergangenen Monaten durch ihre wiederholten Angriffe auf den Rechtsstaat hervorgetan.

Ein Zusammengehen Baraks mit der Schas würde bedeuten, daß nicht nur Tommi Lapids Schinui, sondern vor allem das linke Bündnis Meretz nicht mit von der Partie wären. Damit würde Barak die Aktivisten fallenlassen, die am engagiertesten für seinen Wahlsieg gekämpft hatten. Beide Listen hätten jedoch nichts gegen ein Zusammengehen mit dem Likud und der Zentrumspartei einzuwenden. Ein solches Bündnis bietet sich aufgrund der weitgehenden politischen Übereinstimmung zwischen den drei Fraktionen Ein Israel, Likud und Zentrumspartei an.

Die noch amtierenden Minister Ariel Scharon und Mosche Arens haben sich bereits klar für eine Koalition ausgesprochen. Schwierig wird dann die Ämterverteilung. Sowohl David Levy, Baraks Partner in der Ein-Israel-Liste, als auch Scharon und Schimon Peres hegen Ambitionen auf das Amt des Außenministers. Barak überlegt eine Erweiterung des Kabinetts von 18 auf 24 Minister. Für Peres ist der Posten eines „Friedensministers“ im Gespräch.

Um einen „alternativen Block zur Schas“ zu bilden, arbeiten derzeit die Immigrantenpartei von Nathan Scharansky, Israel Be'Aliya, und die Nationalreligiöse Partei an einer möglichen gemeinsamen Plattform für die Koalitionsverhandlungen. Scharansky, der erklärtermaßen weder links noch rechts steht, interessiert vor allem das Innenministerium. Die weitestgehend weltlichen und zum Teil nichtjüdischen Immigranten – viele Russen leben in Mischehen – hatten von dem bisherigen ultraorthodoxen Innenminister der Schas immer wieder Hindernisse sowohl bei der Familienzusammenführung als auch bei Eheschließungen oder Beerdigungen in den Weg gelegt bekommen.

Für die Nationalreligiöse Partei ist in erster Linie das Erziehungsministerium von Interesse. Den Nationalreligiösen geht es sowohl um die „Jüdischkeit“ Israels, als auch um ein weitgehendes Festhalten an der Idee von Groß-Israel. Die höchsten Wahlgewinne konnten die Nationalreligiösen unter den jüdischen Siedlern im Westjordanland verbuchen.

Trotzdem zeichnet sich auch in diesem Lager die Tendenz ab, daß sich der Pragmatismus gegenüber den alten Idealen durchsetzen wird. So fand sich Benni Begin, Chef der Partei Nationale Vereinigung, zunehmend auf einsamem Posten wieder. „Es gibt nicht mehr genügend Politiker, die für die Idee von Groß-Israel eintreten“, begründete Begin seinen gestrigen Rücktritt als Abgeordneter.

Gestern wurden Stimmen aus dem Militär laut, die für einen Abzug aus der südlibanesischen Sicherheitszone sprachen. Armeesprecher Oded Ben-Ami beeilte sich mit einer Mitteilung an die Presse, daß sich an der „Position der Israelischen Verteidigungsarmee gegen einen einseitigen Truppenabzug nichts verändert hat“. Der Abgeordnete Jossi Beilin (Arbeitspartei) wiederholte daraufhin seine Kritik an dem „Schweigen der Lämmer“. Viele Politiker und Militärs seien längst von einem Abzug überzeugt. „Sie wagen es nur nicht auszusprechen.“

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