: Näseln in der Grube
Purgatorium der Freizeitgesellschaft: Der in Tel Aviv lebende Schweizer Künstler Ueli Etter hat seine Vision eines Parks als Mischung aus Eso-Tripping und Reha-Klinik in der Galerie Zwinger installiert ■ Von Harald Fricke
Es wird ein großer Spaß, wenn der Park erst einmal fertiggestellt ist, erzählt Hubert Baechler. Wer möchte, könne sich dann im Hotel „Desert Queen“ eine der weißen Suiten mieten, dort die Aussonderungen der schneckenartigen Königsquaste zu sich nehmen und im Drogenrausch langsam dahindämmern. Wenn die Halluzinationen nachlassen, dürfe man all seine Triperlebnisse einer Riege von speziell ausgebildeten Nonnen beichten, die ansonsten zurückgezogen in den schwarzen Stockwerken des Hotels leben.
Später zeigt Baechler die einzelnen, sich abwechselnden Etagen auf einem bläßlich fliederfarben bedruckten Blatt Papier an und kichert glucksend. Am Ende seines Vortrags über das „Park“-Projekt, das der Schweizer Künstler Ueli Etter derzeit in der Galerie Zwinger ausstellt, starrt man allerdings immer noch verwirrt auf die Reihe mit den kreiselförmigen Drogenschnecken: Könnten so die Bilder ausgesehen haben, die William Burroughs im Kopf hatte, als er „Naked Lunch“ schrieb? Und wieso läuft überhaupt Wasser aus dem jungen Mann, der als Siebdruck gleich neben den Schnecken hängt?
Ob der „Park“ jemals gebaut wird, ist fraglich. Seit einigen Jahren arbeitet der in Israel lebende Etter an dem Plan, ein bislang noch fiktives Areal in eine Art Welttheater, wenn nicht Purgatorium der Freizeitgesellschaft umzumodeln. Der Spaß, von dem Baechler eben noch so freundlich gesprochen hatte, soll nämlich in der endgültigen Realisierung nie mehr aufhören – nur der Tod bringt Erlösung aus dem konzeptuellen Kunstspektakel. Erste Entwürfe zu dem situationistischen Mammutvorhaben waren bislang in der Bet-Haam-Galerie in Tel Aviv zu sehen gewesen; demnächst wird eine weitere Variation von „The Park“ im Tessiner Kurort Bellinzona zu sehen sein.
Für Berlin ist das gesamte Projekt wie eine dreidimensionale Architekturzeichnung auf den Galerieraum übertragen worden. Quer über den Fußboden verläuft ein futuristisch geschwungenes Straßengeflecht zwischen den Stationen „Sentimental Kingdom“ und „Big Gender Junction“, während der Schriftzug zum „1/2 Albino Inn“ knapp oberhalb der Kniehöhe an die Wand gezeichnet auftaucht.
Die ganze Konstruktion erinnert an Pflanzenstudien, hat aber auch Ähnlichkeit mit den anatomischen Querschnitten der Geschlechtsteile bei Leonardo da Vinci. Ohnehin ist die Atmosphäre in dem Raum extrem aufgeladen: Die Fenster sind mit Zuckerei dichtgeschäumt worden, zwei knirschgelb leuchtende Neonröhren geben der Installation zusätzlich etwas vom bizarren Ambiente einer Reha-Klinik. Anstelle einer funktionalen Strenge moderner Architektur setzt Etter auf die Erotik der Gestaltung. Daß sie immer wieder ins Melancholische abkippt, liegt an den zarten Bildern, die ornamental durch das Allover mäandern. Wer würde sich etwa das Casino in einem solchen Paradies als Foto von einem grazilen Männerbein vorstellen?
Neben dem besagten Hotel gibt es bislang noch Entwürfe für „The King's Casino“, die „Towers of Defiance“ und ein gewisses „T.O.T.S“, das sich als „Theater Of The Suicides“ entpuppt. Darüber informiert wiederum Herr Baechler in dem Video „The Neverending Parkreview“, das zeitgemäß lounge-kompatibel als Infotainment in einer mit Kuhfell ausgelegten Sitzecke läuft.
Obwohl es in dem verfallenen Schwimmbecken nicht sonderlich viel zu sehen gibt, parliert Baechler mit der Leidenschaft eines Immobilienmaklers über die Funktion von Architektur oder das Verhältnis zwischen Erinnerung und Monumenten. Ab und an liegen allerdings Leichen in der Grube herum, während der Monolog feinnäselnd von „life“ und „rebirth“ richtung „immortality and madness“ driftet. Von New Age und Esoterik ist es in Etters Freizeitwelt zur Hölle bloß ein kleiner Schritt.
Ueli Etter: Der Park (2), bis 26. 6., Di. – Fr. 15 – 18 Uhr, Sa. 11 – 17 Uhr, Galerie Zwinger, Gipsstraße 3
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