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Hongkong verlangt von Peking Einmischung

■ Regierung und Parlament Hongkongs fordern Chinas Nationalen Volkskongreß auf, eine unliebsame Entscheidung des Obersten Berufungsgerichts der Sonderzone zu korrigieren

Berlin (taz) – In Schwarz gekleidet und mit weißen Chrysanthemen, einem chinesischen Trauerschmuck, haben am Mittwoch abend 19 Abgeordnete des Hongkonger Legislativrats unter Protest das Parlamentsgebäude verlassen. Die Abgeordneten der Demokratiebewegung schlossen sich vor dem Gebäude 600 Demonstranten an, die mit Trauerkränzen das Ende der Hongkonger Autonomie beklagten.

Derweil stimmten ihre im Saal verbliebenen Peking-freundlichen Kollegen nach nur kurzer Aussprache einem Regierungsantrag zu. Darin wird der Ständige Ausschuß des Nationalen Volkskongresses (Chinas Scheinparlament) aufgefordert, durch eine Neuinterpretation des Hongkonger Grundgesetzes eine Entscheidung des Obersten Berufungsgerichts der Sonderzone zu revidieren.

Das Gericht hatte Ende Januar im Gegensatz zur bisherigen Praxis entschieden, daß alle Chinesen mit mindestens einem Elternteil in Hongkong auch dort leben dürfen. Hongkongs Regierung malte darauf das Gespenst von über 1,6 Millionen Einwanderern an die Wand. Von den 6,8 Millionen Bewohnern der wirtschaftlich angeschlagenen Metropole stammen selbst zwei Drittel aus der Volksrepublik oder sind Nachkommen chinesischer Flüchtlinge. Die große Mehrheit der Hongkonger einschließlich der Demokraten sind sich einig, daß die Einwanderung begrenzt werden muß, um die Stadt nicht zu überfordern.

Doch aus Sicht der Demokraten kann Hongkong dies weitgehend ohne Pekings Einmischung selbst regeln. „Die Regierung beschädigt den Rechsstaat,“ so der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Martin Lee. Die Regierung schaffe einen Präzedenzfall, der nicht nur Hongkongs Autonomie ( „ein Land – zwei Systeme“) untergrabe, sondern auch die Unabhängigkeit der Justiz. Die Regierung weist die Kritik zurück und hält die von den Demokraten vorgeschlagenen Alternativen für zu langwierig. Sie hofft jetzt, die Zahl der Einwanderer auf 200.000 zu begrenzen, wenn der Ausschuß des verfassungsgebenden Volkskongresses auf seiner nächsten Sitzung im Juni Hongkongs Grundgesetz entsprechend nachbessert.

Zwar hielt sich Chinas Regierung bisher aus Hongkong weitgehend raus, doch das Urteil des Obersten Gerichts war auch in Peking kritisiert worden. So sah sich das Gericht gezwungen, eine Klarstellung nachzuliefern. Darin hieß es, daß es sich keinesfalls über Chinas Oberhoheit stellen wolle. Genau diese rief Hongkongs Regierung jetzt zu Hilfe. Sven Hansen

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