: „Elektra“ am Thalia
Seine Interpretation der Elektra-Geschichte hat Hugo von Hofmannsthal unter der Einfluß des Freudschen Frühwerks verfaßt. Elektras zwanzig Jahre gestauten Haß auf ihre Mutter Klytämnestra – die einst den geliebten Vater erschlug – schrieb er zur Fallgeschichte einer Hysterikerin um.
In der Version des Hofmannsthal-Stücks, die Elmar Goerden nun am Thalia-Theater inszeniert hat, sind sämtliche Figuren durch ihre pathologischen Ticks charakterisiert. Ulli Maier gibt die Titelfigur mit verklemmten Schultern, schrägem Kopf und flatternder Halsmuskulatur. Ihre Mutter Klytämnestra (Hildegard Schmahl) zwinkern die Augen und schlottern die Finger; auch ihr Bewegungsapparat ist gestört. Bevor sie bei ihrer Tochter vergeblich um Liebe und Mitleid betteln kann, schwankt sie mühsam eine schiefergraue Showtreppe hinab.
Gelegentlich wirkt das geschmäcklerisch, doch gegen diese klägliche Weichheit wirkt die Rachsucht Elektras umso frappanter. Maier umgibt ihre Rolle zudem mit der eisigen Aura des Folterknechts, der im Quälen des Opfers dessen Bestrafung verlängert. Ein kurzer, dichter, sehr eindrucksvoller Theaterabend. bal
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