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So sicher wie der Tod

■ „Samtmanns Familienabend“ bei den „Jungen Hunden“

Familie hat jeder, zumindest gehabt. Und wer keine mehr hat oder will, der sucht sich eine neue. In der Kneipe, im Konzertsaal, in der Mucki-Bude, beim Kleingartenverein oder Shoppen. Eine Sache, die so sicher ist wie der Tod aber doch immer und überall anders, muß zwangsläufig das Interesse von Kunstschaffenden wecken. So behandelt ein Großteil der zeitgenössischen deutschen Dramatik die Familie als Ort schrecklicher und prägender Erlebnisse und Auseinandersetzungen.

Ganz anders Regina Wenig und Nicola Unger. Die beiden Absolventinnen der Gießener Schule für Angewandte Theaterwissenschaften erfinden keine Familie, sondern setzen sich ihr aus, um daraus eine theatralische Darstellungsform zu gewinnen. Zwei Wochen lang teilten sie den Alltag einer Harburger Familie und stahlen das Gesagte, um es dann in einer siebzigminütigen Performance im Rahmen der „Jungen Hunde“ in Entertainment zu verwandeln. Umraunzt von kleinen Choreografien mit Troll- und Star-Wars-Masken und sparsamen Spieleinlagen rhythmisieren die beiden Perfomerinnen die alltäglichen Beobachtungen und Anekdötchen zu einem höflichen Theater-Rap.

Selbst stetig lächelnd und mit ausgesuchter Bedachtsamkeit, niemandem weh zu tun – denn in der Vorstellung sitzt schließlich auch die Familie selbst und spielt auch ein bißchen mit – entsteht so ein liebes Schmunzeltheater mit Nachbarschafts-Touch. Da die gewählte Herangehensweise den Konfliktstoff von Familie ignoriert und sich nur auf der formalen Spielwiese einer fröhlichen Distanziertheit bewegt, verliert man vor lauter Nettigkeit auch irgendwann das Interesse an dem Erzählten. Dinge, die jeder kennt, einfach weiter gesponnen und lediglich in einer etwas absurden Erzählsituation dargeboten, das transformiert die Daily Soap ins Anfaßbare.

Für Fans dieser Lebensweise stellt Samtmanns Familienabend aber sicherlich Unterhaltsames bereit, das der „Marienhof“-Hasser so nicht wahrnehmen will. Vor diesen Freuden kapituliert der Rezensent.

Kees Wartburg

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