■ Dienstreise nach J.
: Shoahbusiness

Das israelische Fernsehen macht schon seit Ende der Wahlen Werbung für den Eurovision Song Contest. Seine Kamerateams schleppen alle SängerInnen durch die Stadt, um kleine Filmchen zu drehen. Louise, die britische Frontfrau der Gruppe Precious, sagte, als sie das Damaskustor auf Plateauschuhen durchschritt: „Yeah, it's seems to be really old.“

Nur eine „Location“ ist tabu für alle Gäste: die Klagemauer. Das wußten die Leute, die sich um das Wohl der deutschen Gruppe Sürpriz zu kümmern haben, nicht so genau. Sie versuchten schon vor drei Wochen, ihren Song „Reise nach Jerusalem“ vor dieser heiligsten Stätte der Orthodoxen zum Videoclip zu bündeln. Das sorgte für viel Verstimmung bei der orthodoxen Bevölkerung der Stadt. Immerhin, hieß es im israelischen TV IBA, „wurden sie nicht mit Steinen beworfen“.

Es gibt Gott sei Dank noch andere Orte, die mindestens moralisch spektakulär sind. Die drei Männer und drei Frauen von Sürpriz sollen gemeinsam einen Ausflug nach Jad Vaschem machen: Komponist Ralph Siegel hat es so verfügt. Was die KünstlerInnen, deren Vorfahren alle aus der Türkei stammen, dort gedenken sollen, blieb bis Redaktionsschluß offen. Womöglich ist das eine Art Eindeutschungsprogramm oder fällt unter die Rubrik There's no business like shoahbusiness, wer weiß.

Die deutsche Delegation entzückte indes besonders, daß ihr Lied im israelischen Radio ständig gespielt wird – was auch erklärt, weshalb 300 israelische Rekruten, die aus dem Südlibanon nach Eilat verlegt werden sollten, darum baten, auf ihrer Reise durchs Land in Jerusalem Station machen zu dürfen, um der Probe von Sürpriz – in Deutschland ja nicht gerade ein Chart-Feger – beizuwohnen. Aus Jerusalem: Jan Feddersen