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Warten auf Nachbesserung

Das Gesetz zu den 630-Mark-Jobs wirkt unterschiedlich vor Ort. Der DGB beklagt eine „Medienkampagne“ der Zeitungsverleger. Die Regelung zur Scheinselbständigkeit wird überprüft  ■   Von Barbara Dribbusch

Berlin (taz) – Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hat den Zeitungsverlegern vorgeworfen, sie führten eine Medienkampagne gegen die Gesetze über 630-Mark-Jobs und gegen Scheinselbständigkeit. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer erklärte gestern in Bonn, hinter dieser Kampagne stecke „das Interesse von Zeitungsverlegern an der Erhaltung der unversicherten Jobs“, mit denen sie Jahr für Jahr Milliardeneinsparungen zu Lasten der Sozialsysteme und teilweise auch zu Lasten der Betroffenen realisierten.

Die Gewerkschafterin bezeichnete die umstrittenen Gesetze als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Im Kern müsse ihre Grundlage erhalten bleiben. Dagegen erklärte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rudolf Dreßler, bei der Scheinselbständigkeit bestehe „Prüfbedarf“. Binnen weniger Monate solle die laufende Untersuchung beendet sein, erklärte Dreßler im Wirtschaftsmagazin Impulse. Dann werde rasch entschieden, „ob dieses Gesetz überarbeitet werden muß“.

Der Vorsitzende der IG Medien, Detlef Hensche, forderte den Deutschen Presserat auf, die Rechtmäßigkeit der Medienkampagne zu prüfen. Er warf den Verlegern vor, sie hätten die Zeitungen für eine „politische Kampagne instrumentalisiert“.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) klagte gestern, im Handwerk seien bereits rund 170.000 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse abgebaut worden. Eine Sprecherin der Berliner Handwerkskammer erklärte, die Minijobs fielen weg, weil die Beschäftigten sie nicht mehr ausüben wollten. Nach dem neuen 630-Mark-Gesetz müssen Minijobber, die noch einen regulären Hauptjob haben, ihre Nebentätigkeit voll versteuern und auch entsprechend Sozialabgaben zahlen. Dadurch verringert sich der Nettoverdienst von ehemals 630 Mark auf rund 480 Mark.

Große Firmen können den Abgang dieser Nebenjobber kompensieren. Die Berliner Gebäudereinigungsfirma Gegenbauer beispielsweise verlor von ihren 250 Minijobbern rund 90. Sie wandelte diese Stellen in sozialversicherungspflichtige Teilzeitjobs um, die jetzt von anderen Beschäftigten ausgeübt werden. Auch die Textilhandelskette H&M bot den Minijobbern Teilzeitverträge an.

Jörg Seedorf, Vertriebsleiter bei der Berliner Zustellgesellschaft BZV, berichtet, daß viele Zustellagenturen für ihre nebenjobbenden Austräger jetzt nach wie vor die Pauschalsteuer übernehmen. Damit müssen die Nebenjobber nur noch Sozialversicherungsbeiträge zahlen, die Verdiensteinbußen halten sich in Grenzen. Ohnehin seien nur die Zusteller im Ostteil der Stadt betroffen, da die Austräger im Westteil in der Regel bisher schon auf Lohnsteuerkarte jobbten, „das hat in Berlin eine gewisse Tradition“, so Seedorf. Die größeren Verlage und Zustellagenturen könnten die höheren Personalkosten auffangen, bei den kleineren werde es schwierig, erklärt Anja Pasquay, Sprecherin des Bundesverbandes deutscher Zeitungsverleger.

Die SPD-Fraktion hat zwar ein Änderungspapier entworfen, Bundesarbeitsminister Walter Riester aber möchte vorerst nur kleine steuerrechtliche Änderungen vornehmen.

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