: Trick 17 mit dem Supernichts
Kaltblütig in die Kunstgeschichte: Mit seinen bei Contemporary Fine Arts ausgestellten Ölbildern läßt der New Yorker Maler und Kolumnist Sean Landers die Kunst auf ihren alten Kumpel Pop treffen ■ Von Jenni Zylka
Wenn einer einem das ehrliche Kritikerwort aus dem Munde nimmt, indem er es einfach als geschwätzige Sprechblase ohne Umrandung um die gemalten Figuren auf seinen Bildern herumschreibt, dann kann man schon von der beliebten „ironischen Distanz“ zwischen Künstler und Kunstwerk sprechen. Sean Landers nimmt sich selbst dauernd auf die Schippe. „Bunny Boobs“ heißt zum Beispiel das Brustportrait (sic!) eines Häschens, dessen flauschohriger Kopf aus runden Superdingern besteht: „Sie haben aber schöne, große, äh, Augen ...“. Die Bildschrift fängt mit imaginären Kritikerzitaten an, die in „Mr. Landers, an idiot savant minus the savant“ gipfeln – der Wind ist also längst aus den Segeln, wenn man sich das ganze Bild durchgelesen hat.
Genau, man muß Landers' Ölbilder anschauen und lesen, was daran liegt, daß der 36jährige New Yorker „der weltbeste Schriftsteller und der weltgrößte Maler“ werden wollte. Früher, so philosophiert Landers auf dem Bild „Truman Capote“ , habe er über sich selbst immer gesagt, er sei „obsessed with breasts“. Diese zweifelhafte Eigenschaft sei für die Kritik dann das einzig Interessante gewesen. Und darum schreibe er jetzt stets, wie toll er sei, denn „if my theory holds true, I should write myself into art history“ – Trick 17. Solcherlei vergnügliche Überlegungen sind dann krumm und schief in Wellenform und schwarzen Druckbuchstaben um die Kindchenschema-Tier-Mensch-Mutationen gekrakelt.
Für das amerikanische Musikmagazin Spin schreibt und gestaltet Landers seit drei Jahren die Kolumne „Genius Lessons“, und seine trockenen „Briefe an die Leser“-artigen Erzählungen handeln von ihm, seiner Vergangenheit, dem schrecklichen Zeitgeist und von moderner Musik. Kunst trifft also mal wieder ihren alten Kumpel Pop. Landers aber muß man deswegen noch lange nicht einen Generation-X-Strick daraus drehen: Er ist zu schlitzohrig, zu lustig, zu wenig resigniert und zerstörererisch. Außerdem nennt er sich „Konzept-Künstler“, und für Konzepte waren die müden Slakkers noch nie zu haben.
Die kleinformatigeren Bilder der Ausstellung sind allesamt illustratorisch anmutende Tier-Mensch- oder Tier-Tier-Karikaturen ohne Text : Der Monkeyman ist ein Mann mit Affenkopf oder ein Affe mit Anzug. Also das Animalische im Menschen und umgekehrt, obwohl ein solcher Interpretationsansatz wahrscheinlich schon zuviel wäre. Eigentlich möchte er nur, daß man sich amüsiert.
„Ich weiß gar nicht, was ich schreiben soll, ich schreibe mal einfach nichts, supernichts, supernothing, hey, new concept, supernothing!“ läßt er sich auf dem Bild „Before Predation“ aus, auf dem eine Giraffenkind-Enten-Kreuzung mit verstörtem menschlichem Gesichtsausdruck den Betrachter anguckt. Damit stößt er den Menschen vor dem Bild langsam, subtil und elegant auf so banale wie wichtige Erkenntnisse hinter dem flotten Geschreibe und den comichaften Figuren – daß der Prozeß des Kunstschaffens oft unter der bewußten Oberfläche und hinter der klar ausgesprochenen Intention stattfindet.
Landers macht Kunst, indem er lang und breit darüber schwafelt bzw. schreibt, sie zu machen! Heimlich sozusagen, als ob man unten schon die Bombe deponiert hat, während man oben im Gebäude noch theoretisch das System destabilisiert.
Bis zum 19. Juni bei Contemporary Fine Arts, Sophienstr. 21, Mitte
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