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Press-SchlagEmotionen ohne Spiel

■ Warum das Champions-League-Finale dem neuen Fußballverständnis schadet

Kulturpessimisten haben den Fußball mindestens so oft totgesagt, wie er das Gegenteil bewiesen hat. Vor dem Finale von Barcelona aber waren schon die Vorzeichen umgekehrt: Das Spiel zwischen Manchester und Bayern hatte gewonnen, bevor es angepfiffen wurde. Nur warum eigentlich?

Klar, die Engländer stehen wie kein anderes Team in Europa dafür, daß moderner Fußball ein Kampf ums Spektakel geworden ist. Auf die perfekte Defensiv-Organisation des Spiels in den letzten Jahren hat Alex Ferguson eine Manchester-Antwort gefunden. Zwei schnelle, technisch überragende Flügelstürmer (Beckham, Giggs) zwei wendige, kombinationsfreudige und dazu kopfballstarke Innenstürmer (Cole, Yorke) und zwei zentrale Mittelfeldspieler (Scholes, Keane), die enormen Druck entwickeln.

Aber hätte man nicht gerade deshalb ahnen können, daß die Ausfälle der gesperrten Scholes und Kean zu schwer wiegen würden? Einerseits. Andererseits überraschte Fergusons Reaktion, Beckham ins zentrale Mittelfeld und Giggs auf die rechte Außenposition zu beordern. Weil links über Blomqvist gar nichts ging und der Linksfüßler Giggs auf rechts notgedrungen immer wieder den Weg nach innen suchte, war früh klar, daß Ferguson beim Versuch, den Verlust der Mitte auszugleichen, auch noch die Flügel verloren hatte.

Die Bayern? Gute Frage. Die Option aufs Spektakel war schließlich auch ihre. Unter Hitzfeld ist in München konsequent daran gearbeitet worden, das Spiel auch im Sinne des Wortes nach vorne zu bringen: Mit dem Libero vor der Abwehr, mit Effenberg als perfektem Beschleuniger des Spiels in die Spitze, mit drei Angreifern. Manchesters Offensivlust mit eigener zu binden und dabei die Anfälligkeit der United-Abwehr für sich zu nutzen – das hatten viele als Strategie erwartet. Aber erst mit Scholl für Zickler kam auch eine Ahnung davon auf, was für Möglichkeiten ein konsequenteres Kombinationsspiel nach vorne geboten hätte.

Was bleibt? Anstelle eines Spiels, das mitriß, ein Ende, das die ungestillte Sehnsucht nach Emotion reichlich bediente. So ist Fußball, hieß es nachher. Aber eher war Fußball so. Längst werden Emotionen auch wieder über das Spiel befördert – und nicht erst, wenn etwas schiefgeht. Dafür steht Manchester, dafür stehen aber auch die Münchner. Barcelona steht nicht dafür.

Aber selbst dieses Ende geriet zur Mahnung, daß die alten Muster nicht mehr greifen. Gegen die Deutschen hast du erst gewonnen, wenn sie unter der Dusche stehen, hat man früher im Ausland gesagt. Früher. Jetzt braucht es neue Mythen. Am Mittwoch hat Bayern eine Chance verpaßt. Ulrich Fuchs

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