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■ Speed 3 (mit Tempolimit und ohne Sandra Bullock)

Wenn in ein paar Monaten mit unserem Jahrhundert und seinen Handlangern abgerechnet wird, dann könnten Kulturpessimisten mäkeln: Früher seien noch wegweisende Sachen wie das Trägheitsgesetz entdeckt worden („Jeder Körper verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch äußere Kraft gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern“), heutzutage langte es gerade noch zu Weisheiten wie „Berlin bleibt doch Berlin“ oder „Miloevic braucht uns nur anzurufen“.

Weil diesen herbeikonstruierten Vorwurf natürlich niemand erhebt, muß ich ihn wenigstens richtigstellen: Das 20. Dingsda hat mindestens einen universalen Lehrsatz hervorgebracht, der sich nicht hinter Archimedes und seiner Badewanne zu verstecken braucht, und zwar: „Wer bremst, verliert.“

Gegenüber der Einsteinschen Relativitätstheorie hat dieses Axiom den Vorteil, daß es erstens an die Stoßstange paßt und zweitens von jedermann zu seinem Vorteil genutzt werden kann, von Michael Schumacher und Mika Häkkinen bis zu Slobodan Witwenschänder und Tony Blair.

Nun gibt die Wissenschaft aber so lange keine Ruhe, bis sie, was sich in der Praxis längst bewährt, auch „theoretisch untersetzt“ hat. Prof. Dr. Wolfgang Meinig, Leiter der Bamberger Forschungsstelle für Automobilwirtschaft (oder heißt es: für die Automobilwirtschaft?), leistet diesbezüglich Pionierarbeit, indem er den Sinn eines generellen Tempolimits „hinterfragt“. Tempo 100, so Professor Dr. Wolgang Meinig, erhöhe Fahrzeit und Verweildauer auf den Autobahnen und führe dadurch zu erhöhtem Streß und mehr Belastung. Zudem wäre unsicher, ob sich angesichts der eintretenden Monotonie, insbesondere bei den zunehmenden Nachtfahrten, die Zahl der Verkehrsunfälle tatsächlich reduziere.

Soll heißen: Wer langsam fährt, fährt länger. Wer länger fährt, dem wird langweilig. Wem langweilig ist, der fährt die Leitplanke lang. Nachts sowieso. Merke: Jeder Geist verharrt im Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung, wenn er nicht durch äußere Kraft gezwungen wird, diesen Zustand zu ändern. André Mielke

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