: Feuerwasser für den Indianer
The baddest motherfucker in Brooklyn: Mit Ol' Dirty Bastard kommt das durchgeknallteste Wu-Tang-Clan-Mitglied nach Berlin. Wenn er wirklich kommt ■ Von Thomas Winkler
Wußten Sie eigentlich, daß eine HipHop-Band den Planeten regiert? Daß deren Beats den Rhythmus unser Lebens bestimmen, deren Reime weltweite Wahrheiten verkünden? Wußten Sie, daß wir unter der sogenannten Wu World Order leben? Doch, doch, das tun wir. Jedenfalls wurde von der Weltherrschaft des Wu-Tang Clan im Herbst 1997 in sämtlichen verfügbaren Presseorganen ausführlich berichtet.
Nicht einmal zwei Jahre später hat die Revolution doch nicht stattgefunden. Die neunköpfige HipHop-Crew aus New York werkelt zwar munter weiter, aber inzwischen fast schon im verborgenen. Während früher jede der vielen Veröffentlichungen aus dem Clan-Umfeld mit Kritikerlob und Platinauszeichnungen zugeschissen wurde, ist die Öffentlichkeit inzwischen wenig interessiert an noch einer Platte des Cousins des Pizzaboten eines Wu-Tang-Aushilfsmitglieds. Die eigene Veröffentlichungspolitik wurde dem Clan zum Verhängnis: Reguläre Alben der Komplett-Band, Solo-Platten von jedem einzelnen Mitglied, verschiedene Konstellationen untereinander, Gastauftritte, scheinbar jeder Wu-Tang-Furz wurde auf CD gepreßt.
Ausnahme: Ol' Dirty Bastard. Nachdem er 1995 mit „Return to the 36 Chambers: The Dirty Version“ als einer der ersten Wu-Tangler seine Solo-Platte herausbrachte, ist es bisher auch dabei geblieben. Mal abgesehen von einigen Kollaborationen hat der durchgeknallteste Rapper des Clan seine Zeit zugebracht, als wäre er inzwischen nicht berühmt und stinkreich: Er klaute ein Paar Turnschuhe im Wert von 50 Dollar, wurde überfallen und angeschossen, legte sich mit Türstehern an, stand des öfteren vor Gericht, wurde beim Fahren ohne Führerschein erwischt, benahm sich bei der Grammy-Verleihung daneben, zahlte keinen Unterhalt für seine Tochter, drohte, seine Ex-Frau umzubringen, und gab sich auch sonst alle Mühe, sein Image zu bestätigen, daß er zwar jede Menge Goldzähne im Mund, aber nicht alle Tassen im Schrank hat.
Zwischenzeitlich aber hat er sich seine Zöpfchen abgeschnitten und eine Brille aufgesetzt. Schließlich wollte er sich wie so viele andere Prominente in den USA offensiv als gutes Vorbild betätigen und besuchte Schulklassen. „Ich erzählte den Kindern lauter rechtschaffene Dinge“, meinte er später etwas frustriert, „aber die Mütter gucken mich immer komisch an wegen meines Namens.“ Also beschloß er, sich fortan Osiris zu nennen.
Inzwischen ist der alte Name wieder zurück und Bastard wieder vor allem „the baddest motherfukker in the Brooklyn town“, wie er sich selbst schon mal lobt. Niemand schert sich so wenig um Syntax, Reimregeln oder sonstige Konventionen. Ol' Dirty Bastard inhaltlich folgen zu wollen ist nahezu unmöglich, aber dankenswerterweise erschließt sich manche Aussage auch ohne Worte, allein aus Stöhnen, Atmen und Rülpsen. Dieser Rapstil ist zwar selten elegant, dafür aber immer lustig. Ol' Dirty erklärt ihn wie seine Ausraster mit einem Trinkproblem: „Ich habe indianisches Blut in mir, und man darf einem Indianer keinen Alkohol geben. Sobald Dirty Feuerwasser in seinem Kreislauf hat, wird er verrückt.“
Endlich ist eine neue Platte für den Sommer angekündigt, als Gäste sollen u. a. Madonna, Mariah Carey, Little Richard und Lauryn Hill dabei sein. Man wird sehen, wie und wann und mit wem das Werk mit dem Arbeitstitel „Nigga, Please“ (wahlweise „God made Dirt, Dirt don hurt“) wirklich erscheinen wird. Und man wird sehen, ob er denn heute abend auch wirklich kommt: Am gestrigen Nachmittag lag Michael Schirmer von der Arena noch keine Absage vor.
Mit Underdog Cru, Krisenstab und DJ Tommekk, ab 21 Uhr, Arena, Eichenstraße 4 a, Treptow
Manche seiner Aussagen erschließen sich auch ohne Worte, allein aus Stöhnen, Atmen und Rülpsen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen