: Das neue Nigeria gleicht dem alten: Obasanjos erste Schritte an der Macht
■ Zögerlicher Start zur Demokratisierung Nigerias: Der neue Präsident Obasanjo umgibt sich weiter mit hochrangigen Militärs
Berlin (taz) – Kontinuität, wenn nicht gar Immobilität legt Nigerias neuer Präsident an den Tag. Exgeneral Olusegun Obasanjo, dessen Machtübernahme am Samstag über 15 Jahre Militärdiktatur beendete, hat erste Personalentscheidungen getroffen – aber sie stellen keinen Bruch mit der Vergangenheit dar.
Obasanjo berief am Samstag abend fünf neue Führer der verschiedenen Gattungen der Streitkräfte; alle fünf waren bereits Mitglieder der bisherigen Militärjunta. Ähnlich konservativ waren andere Berufungen: Der neue „Nationale Sicherheitsberater“, General Aliyu Mohammed, hatte diesen Job schon unter Diktator Ibrahim Babangida (1985-93). Der Sicherheitsberater des bisherigen Juntachefs Abdulsalam Abubakar, Generalmajor Abdullahi Mohammed, wird Stabschef des Präsidenten.
So scheint der neue Präsident in seinem unmittelbaren Umfeld das Primat des Militärs und die bisherigen militärisch geprägten Machtstrukturen beizubehalten. Andere Entscheidungen, die eigentlich wichtig sein müßten, wie zum Beispiel die Berufung des Kabinetts, werden frühestens im Laufe dieser Woche erwartet. Hier warten die Politiker gespannt, ob Obasanjos „Demokratische Volkspartei“ (PDP), die im Parlament eine Mehrheit hat, alleine regiert oder eine Allparteienregierung mit den beiden Oppositionsparteien bildet. Erstere Variante würde zweifellos das politische Tagesgeschäft beleben und das Parlament als Forum der politischen Debatte stärken – aber eine Allparteienregierung wäre besser geeignet, die virulenten regionalen Gegensätze Nigerias zu neutralisieren.
Es ist bezeichnend, daß alle Personalentscheidungen der neuen Regierung vor allem unter dem Aspekt der Volkszugehörigkeit diskutiert werden. Von insgesamt 13 Berufungen, rechnete die Zeitung Vanguard aus, gehen sieben an den Süden und sechs an den Norden – da kann sich keiner beschweren. Aber darüberhinaus wird es kompliziert. Das im Südwesten Nigerias dominante Yoruba-Volk – dem Obasanjo selbst angehört, das aber mehrheitlich nicht für ihn gestimmt hat – ist bisher noch gar nicht berücksichtigt, während das im Südosten vorherrschende Igbo-Volk mit Professor A. B. C. Nwosu als Obasanjos Chefberater nur einen hohen Posten innehat.
Igbo-Führer murren nun, daß wieder einmal keiner von ihnen zur Militärspitze aufgerückt ist und damit die Marginalisierung der Igbos seit ihrer erfolglosen „Biafra“-Abspaltung von Nigeria 1967-70 andauere. Vertreter der Völker des Ölfördergebietes im südnigerianischen Niger-Delta protestieren, daß Obasanjo als Ölberater keinen der ihren berief, sondern den nordnigerianischen Opec-Generalsekretär Alhaji Rilwan Lukman. Beobachter fürchten, daß die endemischen Aufstände der Bewohner der Ölfördergebiete sich ausweiten, falls Obasanjo nicht ein Zeichen zur Verbesserung ihrer Lage gibt. Gestern wurden bereits 50 Tote bei Zusammenstößen nahe der Ölstadt Warri gemeldet.
Yoruba-Oppositionsführer geben die Losung aus, daß der Übergang zur Demokratie nicht etwa mit der Abdankung der Militärjunta zu Ende sei, sondern jetzt erst richtig beginne. Und sie hoffen, daß die noch von der Junta verabschiedete neue Verfassung, mit der Obasanjo regieren wird, nicht das letzte Wort zur politischen Struktur Nigerias bleiben wird.
In seiner Rede zum Amtsantritt am Samstag sagte Obasanjo dazu lediglich, er sei entschlossen, „einen breiten Konsens zwischen allen Parteien zur Förderung der nationalen Harmonie und Stabilität zu herzustellen“. Von politischen Reformen war keine Rede, auch nicht von einer Aufarbeitung der Verbrechen der Diktatur.
Obasanjos weitere Ankündigungen unterschieden sich nicht wesentlich von denen, die sein Vorgänger Abubakar in seiner einjährigen Amtszeit immer wieder gerne machte. Die Nigerianer sollten „Opfer bringen und Geduld haben“, bat Obasanjo und versprach, er wolle „innerhalb eines Jahres wesentliche Änderungen vornehmen“. An erster Stelle nannte er den Kampf gegen Korruption sowie die „Wiederherstellung von Vertrauen in die Regierung“.
Dominic Johnson
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