piwik no script img

„Keiner will ersten Stein werfen“

■  Forsa-Institutsleiter Wolfgang Güllner nennt Mompers Putzfrau-Affäre „ziemlich gefährlich“, der Politologe Funke: „Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Partei“

Obwohl der Ärger in der SPD über die Putzfrau-Affäre des Spitzenkandidaten Walter Momper sehr groß ist, traut sich niemand – zumindest nicht namentlich – seinen Rücktritt zu fordern. „Keiner will den ersten Stein werfen“, sagte gestern ein hochrangiges SPD-Mitglied gegenüber der taz. „Doch die Steine werden schon aufgehoben.“

Nach Ansicht des Leiters des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, kann die Putzfrau-Affäre „ziemlich gefährlich“ für die SPD werden. Zwar zeige die Diskussion, daß die 630-Mark-Regelung ein „irrsinniges Gesetz“ sei, das Momper wahrscheinlich erst jetzt klar geworden sei. Doch wer nicht sensibel genug für dieses Thema sei, „kann auch nicht sensibel für andere Themen sein“. Mit seinem Verhalten liefere Momper all denen, die ihn ohnehin nicht wählen wollen, ein weiteres Argument, es nicht zu tun. Den Verzweiflungsoptimismus einiger SPDler, daß Momper durch sein Bekenntnis, eine Putzfrau an der Steuer vorbei beschäftigt zu haben, sogar Pluspunkte sammeln könnte, kommentierte Güllner so: „Jeder sucht sich seine Strohhalme, selbst wenn sie keine sind.“

Auch nach Meinung des FU-Politologen Hajo Funke hat Momper einen „schweren taktischen Fehler“ begangen und Rot-Grün „erschwert“. Funke nennt das Verhalten Mompers eine „Brüskierung“ und „ein beträchtliches Maß an Gleichgültigkeit“ gegenüber der eigenen Partei. Statt politisch gegen die 630-Mark-Regelung zu argumentieren, habe er sie „flapsig zum eigenen Vorteil“ ausgelegt und damit „entpolitisiert“. Die SPD, der nach Ansicht von Funke immer noch soziale Konzepte fehlen, müsse nun endlich eine „glaubwürdige und doppelte Kurskorrektur“ vornehmen. Nur so könne die Affäre eine „reinigende und demokratiefördernde Funktion“ haben.

Ein Großteil der Basis indes versucht sich in einem Spagat zwischen Verurteilung und Zweckoptimismus. „Das Ganze ist ärgerlich“, sagte gestern der Steglitzer SPD-Jugendstadtrat Thomas Härtel, „und trägt nicht zur Glaubwürdigkeit bei“. Weil die SPD ohnehin „nicht gerade in einem Stimmungshoch ist“, führe das zu „Verunsicherung in der Stammwählerschaft“. Ein Politiker müsse wissen, daß er „besonders im persönlichen Umfeld“ gefordert sei. Trotzdem dürfe man „nicht päpstlicher als der Papst“ sein.

Auch der Spandauer SPD-Kreisvorsitzende Swen Schulz ist zwar empört über Mompers Verhalten. „Das ist scheiße, ich habe mich tierisch geärgert“, sagte er gestern. Es sei erstaunlich, daß das einem Politprofi wie Momper passieren konnte. Doch auch wenn die Schadensbegrenzung „nicht leicht“ sein werde, hofft Schulz, daß die Affäre bis zum Wahltag „ausgebügelt“ sein wird. Der Zehlendorfer SPD-Kreisvorsitzende Peter Senft wies gestern jegliche Spekulationen über eventuelle Folgen zurück. „Das wird keine Konsequenzen haben“, sagte er. „Man wählt den Regierenden Bürgermeister und nicht den Papst.“ B. Bollwahn de Paez Casanova

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen