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„Studierende machen alles“

■ Die studentische Arbeitsvermittlung Tusma wird 50. Weniger Jobs im Angebot

„Es kann schon frustrierend sein, wenn du zwei Wochen lang jeden Tag zur Vermittlung läufst und trotzdem keinen Job kriegst.“ Solche Phasen hat Anette Pruhl (36) oft erlebt. Die Studentin und angehende Umweltmanagerin ist seit drei Jahren bei der studentischen Arbeitsvermittlung Tusma registriert und finanziert ihren Lebensunterhalt mit befristeten Stellen.

Über 30.000 Studenten sind bei der ältesten und größten Vermittlungstelle in Berlin eingeschrieben. Zwischen 200 und 300 von ihnen stehen an manchem Morgen ab halb sieben vor der Tür und warten auf die Arbeitsangebote. Die Bandbreite ist groß: Vom Umzugshelfer über Bauhilfsarbeiter bis zum Clown reicht die Palette. Wer über die spezielle Kenntnisse verfügt, ist im Vorteil.

Da Anette Pruhl bei der Fachvermittlung eingeschrieben ist, braucht sie nicht um sieben Uhr das Los aus der Trommel zu ziehen, um zu erfahren, wann sie an der Reihe ist. Qualifizierte Jobs wie Übersetzen, Dolmetschen, Schreibarbeit oder Nachhilfe werden am Nachmittag vergeben. „Frauen bekommen meistens Schreibarbeiten“, stellt Anette Pruhl fest. Für die Männer gibt es Maleraufträge, Renovierungen und Tapezieren. „Interessante Arbeiten, die etwas mit dem Studium zu tun haben, sind eher selten“, weiß Pruhl.

Und überhaupt: Die Zahl der Angebote hat stark abgenommen. Die Chancen, einen dauerhaften und gutbezahlten Job zu bekommen, sind im Gegensatz zu früher mittlerweile sehr gering. Das bekommen die ausländischen Studenten zuerst zu spüren. „Selbst für normale Handwerkerjobs verlangen die Leute inzwischen oft gute Deutschkenntnisse“, sagt Anette Pruhl.

Doch trotz der großen Konkurrenz bleiben die Studenten der Arbeitsvermittlung treu. „Denn Tusma ist kein Ausbeutungsunternehmen“, sagt Particia Lüdicke (33). Während normale Zeitarbeitsfirmen einen guten Teil des Geldes einbehalten, reicht die Studentenvermittlung nahezu den kompletten Lohn, den die Arbeitgeber zahlen, an die Jobber weiter. So kann Lüdicke mit Plakataushängen, Zeitungspacken und Putzen ihren Lebensunterhalt von 1.500 Mark bestreiten.

Die Studenten zahlen zweieinhalb bis drei Prozent Vermittlungsgebühren an Tusma. Für die Arbeitgeber wird die komplizierte „Bürokratie“ leichter gemacht. Nach dem Zusammenschluß mit der Vermittlung „Heinzelmännchen“ von der Freien Universität im Oktober 1996 gründete man ein gemeinsames Abrechnungszentrum, das auf Wunsch der Arbeitgeber die Rentenversicherung und die Lohnabrechnung regelt, sowie die Lohnkonten führt. „Die Arbeitgeber sind froh über diesen Service“, sagt Patricia Lüdecke. Und die Studenten können mehrere kleine Jobs gleichzeitig ausüben, da die Lohnsteuerkarte in der Vermittlung hinterlegt ist.

Ab und zu kommt es auch zum Ärger zwischen den Auftraggebern und Studierenden: Die Löhne werden nicht ausgezahlt. In solchen Fällen steht Tusma mit einer kostenlosen Rechtsberatung zur Verfügung. Kommt eine Firma auf die schwarze Liste, wird kein Angebot mehr angenommen. Umgekehrt werden aber auch Studenten gesperrt, wenn sie sich daneben benehmen.

Mit dem Spruch „Telefoniere – Und Studierende Machen Alles“ wurde Tusma vor 50 Jahren gegründet. Zum Feiern gibt es aber wenig Anlaß. Der Arbeitsmarkt für Studenten sieht nach dem Zusammenbruch des Baugewerbes dramatisch aus. Besonders Frauen und ausländischen Studenten sind betroffen. Als Konsequenz daraus begeben sich viele Studierende in Schwarzarbeit. Über die Probleme und Zukunftsvisionen lädt die studentische Vermittlung heute zu einer Podiumsdiskussion ein. Nino Ketschagmadse

4. 6., 15.15 Uhr, Podiumsdiskussion „Der harte Weg gegen die Schwarzarbeit“. Architekturgebäude TU, Straße des 17. Juni

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