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Jeder sein eigener Manager

Deutschlands erste private Berufsberaterin macht Mut, das eigene Leben in die Hand zu nehmen - und entdeckt eine Marktlücke  ■ Von Ulrike Bals

Es gleicht schon einer maschinellen Abfertigung. Bis zu dreißig SchülerInnen hat Bärbel Löwe manchmal an einem Tag im Arbeitsamt betreut. Mehr als eine Stunde Beratungszeit, sagt sie, war ihr nicht gestattet. In der Regel dauerten die Gespräche jedoch nur Minuten. „Wie soll man da auf individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten eines Menschen eingehen?“, fragt die diplomierte Berufsberaterin. Frustrierte Lehrstellen-AbbrecherInnen und Irrläufer auf den raren Ausbildungsplätzen seien immer öfter die Folge. Den schnellen Veränderungen des heutigen Arbeitsmarktes und den immer spezielleren Fragen der Arbeitssuchenden könnten die Ämter einfach nicht mehr gerecht werden. „Die Mitarbeiter verwalten oft nur noch“, moniert die ehemalige Kollegin.

Deshalb hat Bärbel Löwe nicht lange gezögert, als im Januar 1998 dem Arbeitsamt das Monopol für Berufsberatungen entzogen wurde. Nach langjähriger Beratungstätigkeit kehrte sie ihrer gesicherten Staatsdienst-Rente den Rücken und wagte den Sprung in die Selbständigkeit. Seit Anfang des Jahres betreibt sie in Buxtehude bei Hamburg die erste private Praxis für Berufs- und Lebensgestaltung in ganz Deutschland und ist selbst verblüfft über den enormen Andrang: „Als hätte ich in ein Wespennest gestochen.“ Für sie ein Beleg dafür, wie viele Menschen dringend eine intensive Auseinandersetzung mit ihrer Berufs- und Lebenssituation benötigen.

Wichtig ist es, so Löwe, nicht nur den beruflichen Werdegang, sondern auch persönliche Fähigkeiten und das soziale Umfeld der KlientInnen zu betrachten. „Vielen fehlt einfach nur der Mut, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen“, resümiert sie ihre bisherigen Erfahrungen.

Vor allem Zeit – etwa 20 bis 25 Stunden – nimmt sie sich für die Ratsuchenden. Jedoch begreift sie sich nicht als Stellenvermittlung. Ihr geht es vielmehr darum, Menschen in Umbruchsituationen Hilfestellungen zur Selbsthilfe zu geben: Schul- oder StudienabbrecherInnen, Arbeitslosen, die immer wieder während ihrer Probezeit gekündigt werden oder langjährige ArbeitnehmerInnen, die unter Mobbing oder einer Versetzung in eine andere Abteilung leiden.

Löwes Arbeitsmethodik basiert dabei auf einem Konzept des schweizerischen Instituts für Berufs- und Lebensgestaltung in Bülach, für das sie auch als Fachautorin und -lektorin tätig ist. Mittels verschiedener Tests und Gesprächsdiagnostik analysiert sie die jeweilige Lebens- und Arbeitssituation, die Erfahrungen und Wünsche, Stärken und Schwächen. Aus den Ergebnissen entstehen dann gemeinsam mit den Betroffenen individuelle Problemlösungen. Allerdings ist die Beratungseinheit mit pauschalen 2800 Mark für Jugendliche und 3300 Mark für Erwachsene nicht ganz billig. Schwierige Fälle begleitet sie dafür aber auch schon mal bis zu einem Jahr weiter – und das kostenlos.

Infos gibt's bei Bärbel Löwe, Tel.: 041 61-73 33 11

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