: Die Würde des Menschen –betr.: „Milli Görüs reizt Otto Schily“, taz vom 1. 6. 99
[...] Am Sonntag kritisiert Herr Schily die Verantwortlichen in der evangelischen Akademie Loccum dafür, daß sie zu einer Tagung über „Islam in Deutschland“ unter anderem auch „Milli Görüs“ eingeladen haben, weil dies eine Organisation sei, welche die Errichtung eines Gottesstaates befürwortet. Nur einen Tag zuvor, am Sonnabend, wurde unter der Verantwortung desselben Herrn Schily ein Sudanese, Amir Ahmed Agip, vom BGS zu Tode gebracht, als Strafe dafür, daß er sich weigerte, in einen Gottesstaat zurückzukehren, vor dessen Terror er nach Deutschland geflüchtet war.
Schilys Vorgänger, Herr Manfred Kanther, ist seinerzeit zwar nicht weniger skrupellos gegen Asylbewerber aus dem Sudan (Oktober 1995!) und aus anderen Verfolgerstaaten vorgegangen, aber er hat dem deutschen Publikum wenigstens nicht vorgegaukelt, daß er ein Philanthrop und Antirassist sei. Herr Schily hat unbesehen von Kanther dessen menschenverachtende Abschiebepraxis übernommen, präsentiert sich jedoch zugleich zusammen mit seiner Tochter dem staunenden deutschen Publikum als Interpret eines antirassistischen Dialogs des marokkanischen Autors Tahar Ben Jelloun!
Herr Johannes Rau hat nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten dankenswerter Weise darauf hingewiesen, daß der Artikel 1 des Grundgesetzes nicht von der Würde des Deutschen spricht, sondern ausdrücklich von der Würde des Menschen allgemein. In Anwendung dieses Prinzips sollte er nunmehr seinem Parteifreund Schily auf die Finger klopfen und dafür sorgen, daß die Doppelzüngigkeit dieses Innenministers ein Ende nimmt. Diese drückt sich ja auch darin aus, daß er für die Herstellung von Menschenrechten in Ex-Jugoslawien mit Bombengewalt eintritt, aber den flüchtigen Kosovaren und den Deserteuren aus der serbischen Armee in Deutschland das Asylrecht verweigert! Peter-Anton von Arnim, Eschborn
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