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Sound der Sufi-Orden und des Sultanserails

■ Go East! Das Festival „Jazz across the border“ orientiert sich gänzlich gen Osten

Die Osterweiterung des Jazz, so geht die Erzählung, datiert zurück bis in die 20er Jahre. Damals begann der Zigeunergitarrist Django Reinhard in den Cafés von Montmartre, was im Laufe der Zeit zur Emanzipation des europäischen Jazz führte. Heute sind osteuropäische Klänge im Jazz nichts Ungewohntes mehr, doch Paris noch immer ein guter Schmelztiegel für neutönende Fusionen.

Auch beim Festival „Jazz across the border“ im Haus der Kulturen der Welt, das sich in diesem Jahr gänzlich gen Osten orientiert, stehen etliche Musiker auf dem Programm, die in der französischen Hauptstadt ansässig sind. Beispielsweise der Ungar Akosh Szelevenyi. In Budapest studierte er Flöte, Klarinette und Saxophon und begeisterte sich für ungarische Folklore wie für den US-Jazz eines John Coltrane. Doch bald schon entfloh er der musikalischen Enge Budapests und landete in den Straßen von Paris. „Ohne Papiere zu sein ist gut für den Kopf“, sagt er lakonisch über die Jahre in der Illegalität. Wie er letztlich an seine Aufenthaltsberechtigung kam, ist nicht überliefert. Wie er Eingang in die französische Jazz-Oberliga fand, ist dagegen bestens dokumentiert, auf mehreren Alben. Mit seiner Band „Unit“ – urban, hitzig und impulsiv – brachte er frischen Wind in die Szene an der Seine, und die Gazetten überschlugen sich förmlich vor Lob. Die Zeitung Libération nannte Akosh Szelevenyi „das Beste, was dem französischen Jazz, und damit dem europäischen Jazz, in den letzten 12 Jahren wiederfahren ist“.

Gutes widerfährt dem französischen Jazz derzeit aber auch von anderer Seite. Der ebenfalls in Paris lebende, türkische Ney-Flötist Kudsi Ergüner, bisher vor allem als Traditionsbewahrer bekannt, als Komponist zuletzt aber auch an diversen Filmmusiken beteiligt, bewegt sich neuerdings auf experimentellem Terrain. Mit seinem jüngsten Projekt „Ottomania“ bereichert er das Farbenspektrum des Jazz um eine weitere Koloratur – um die der klassischen türkischen Musik, dem Sound des osmanischen Sultanhofs und der islamischen Sufi-Orden. Blue Notes alla Turca.

Es muß aber nicht immer Paris sein, manchmal reicht auch München. Der Exillibanese und Wahlbayer Rabih Abou Khalil studierte in Beirut, griff jedoch erst in Deutschland zur arabischen Laute, der Oud. Mit inzwischen neun Alben und regelmäßigen Tourneen längst eingeführt, muß er nicht mehr erst lange vorgestellt werden. Erst im Februar war Rabih Abou-Khalil zuletzt in Berlin zu Gast mit „Yara“, seiner aktuellen Arbeit zum gleichnamigen Film des Hamburger Regisseurs Yilmaz Arslan. Mit seiner „Alternate Band“ wird er zum Auftakt der „Jazz across the border“-Reihe wohl andere Akzente setzen.

Was den Jazz mit der Musik des Orients verbindet, das sind die ungeraden Metren, die ornamentalen Melodien und die Lust an der Improvisation. Viele Anknüpfungspunkte also für einen fruchtbaren Austausch. Doch daß der Orient-Jazz, wie er sich im Haus der Kulturen der Welt darstellt, vor allem von Emigranten repräsentiert wird, ist kein Zufall: Der Sound des Ostens ist in deren Werken oft weit präsenter als vor Ort selbst.

Aus dem real existierenden Osten, aus Istanbul, Sofia und Simferopol, reist jedenfalls nur eine Minderheit der Festivalgäste an. Auffällig ist auch, daß nur zwei Ensembles aus Berlin selbst stammen. Obwohl die Stadt in den letzten Jahren ins Zentrum der Migrationsbewegungen aus Osteuropa gerückt ist, schlägt sich dieser Umstand kaum in der hiesigen Musikszene nieder. Es muß wohl an dieser Stadt liegen, daß entwicklungsfähige ausländische Musiker hier nicht recht zum Zuge kommen, und daher lieber weiter nach Paris ziehen. Sollte sich Berlin im Laufe der nächsten Jahre doch noch zu einer europäischen Kulturmetropole entwickeln, dann erst hätte ein neuer Django Reinhard auch hier eine Chance. Daniel Bax

Von 11. bis 19. 6. im HdKdW, John-Foster-Dulles-Allee 10, Tiergarten

Aus dem Schmelztigel Paris kommen mit Akosh S. Unit und Kudsi Ergüner die spannendsten Gäste

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