: Isolieren und Immunisieren
■ Ganz Hamburg kennt nur ein Thema: Die Grippewelle / Wartezimmer in den Praxen quellen über / Vitamine schlucken! Von Clemens Gerlach
Die genaue Zahl kennt keiner, amtliche Statistiken existieren nicht. Vermutlich sind es aber Tausende Hamburger, die dieser Tage krank darniederliegen, seit sie von der Erkältungs- und Grippe-Welle erfaßt wurden. Todesfälle, wie 1968/1969, als in Deutschland 40.000 Menschen starben, mußten gottseidank bislang nicht verzeichnet werden. Doch das ist den zur Urlaubszeit Erkrankten nur ein schwacher Trost. Und das Elend geht weiter: „Es wird noch ein, zwei Wochen andauern“, ist Hans-Jochen Gelberg, Präsident der Apothekerkammer Hamburg, wenig optimistisch.
Einen Anstieg der Kundenzahlen um 50 Prozent haben die Apotheken zu verzeichnen. Alles, was gegen Husten, Fieber und Gliederschmerzen hilft, ist gefragt – von Aspirin bis Antibiotika. Nachschubsorgen müsse man sich nicht machen, es käme in manchen Fällen jedoch zu Verzögerungen der Medikamentenlieferung von ein oder zwei Stunden.
Deutlich länger sind die Wartezeiten bei den Ärzten. Schon über Weihnachten waren die Notärzte mehr als doppelt so oft wie normal angefordert worden. Nach Schätzungen von Dieter Bollmann, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg, wurden die Mediziner etwa 5 500mal zu Hilfe gerufen. Vierzig statt der üblichen fünfzehn Notärzte waren jeden Feiertag im Einsatz. „Gut 800 Patienten kamen jeden Tag in die beiden Notfallpraxen“ so Bollmann, „normal sind an Feiertagen 400.“ Die Zahl der Ärzte mußte auf sechs pro Praxis verdoppelt werden.
Doch nicht jeder Patient, der zur Zeit einen Arzt konsultiert, hat sich eine „echte“ Grippe eingefangen. Neben den sehr gefährlichen Grippe-Viren (Influenza) des gerade grassierenden Typs A und B sind derzeit noch 200 harmlosere Arten von Erkältungsviren im Umlauf. Selbst für Fachleute ist es jedoch nicht leicht, eine Grippe von einer Erkältung zu unterscheiden, zumal viele Menschen unter Mischinfektionen leiden.
Gut dran sind diejenigen, die sich rechtzeitig gegen Grippe haben impfen lassen. Schon im Herbst hatte die Hamburger Polizei ihren Beamten ein entsprechendes, kostenloses Angebot gemacht, das „rege genutzt wurde“, wie Pressesprecher Werner Jantosch weiß. Auch bei den Unternehmen des ÖPNV, wie den Pinneberger Verkehrsbetrieben, waren Impfmaßnahmen durchgeführt worden. Mit Erfolg, wie es scheint: Der Bus- und U-Bahn-Betrieb wurde bislang nicht beeinträchtigt.
Unumstritten ist die Grippe-Impfung allerdings nicht: Manche Mediziner halten Risiken und Nebenwirkungen für größer als den Nutzen. Als gefahrlose Vorbeugung empfiehlt sich jedoch, größeren Menschengruppen fernzubleiben und – selbstredend – massenweise Vitamine zu schlucken. Ansonsten: Gute Besserung!
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