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Eine Frage des Tiefgangs

■ Die Zukunft des Hamburger Hafens im taz-Streitgespräch: Alexander Porschke, wirtschaftspolitischer Sprecher der GAL, contra Heinz Giszas, Staatsrat in der Wirtschaftsbehörde Moderiert von Heike Haarhoff

taz: Die GAL hat vorgeschlagen, das Amt für Strom- und Hafenbau zu privatisieren. Warum das, Herr Porschke?

Alexander Porschke: Wir haben gefragt: „Wieviel kostet die Stadt eigentlich der Hafen?“ Die Antwort des Senats lautete: „Eine Gesamtabschätzung der Kosten liegt nicht vor.“ Das halten wir für inakzeptabel. Denn wenn man alles zusammenrechnet, kommt man auf über eine Milliarde Mark Ausgaben, denen Einnahmen von 150 Millionen Mark gegenüberstehen, so daß pro Jahr 800 Millionen im Hafenschlick versinken.

Um das im einzelnen aufklären zu können, müßte man eine echte Transparenz haben. Die wird bewußt verhindert durch die Wirtschaftsbehörde. Eine Verselbständigung von Strom- und Hafenbau würde zu höherer Transparenz führen, und erst die böte die Möglichkeit zu entscheiden, was ist ein angemessener Aufwand, was ist sinnvoll und was nicht.

Auf welcher Zahlenbasis kalkulieren Sie denn, wenn keine Gesamtschätzung vorliegt, Herr Giszas?

Heinz Giszas: Erstens: Herr Porschke macht es sich zu einfach. Er erfindet irgendeine Zahl, und an der hängt er das dann auf. Zweitens ist es nicht richtig, daß die Zahlen und Kostenblöcke nicht transparent sind. In den Haushaltsberatungen erläutern wir, wieviel wir für Umstrukturierungen, Baggergut, Verkehrswege und Liegeplätze ausgeben. Allein 25 Prozent des Investitionshaushalts wenden wir auf zur Reinhaltung der Elbe. Das sind hafenfremde Kosten. Wenn wir keine Elbschlickproblematik hätten, hätten wir diese Kosten nur zu einem Bruchteil.

Aber was würde die Privatisierung von Strom- und Hafenbau nützen? Senat und Bürgerschaft wären nicht gut beraten, wenn sie sich die direkte Kontrolle dieser Institution aus der Hand nehmen ließen.

Porschke: Verselbständigung ist nicht das gleiche wie Privatisierung. Wir sind für eine Verselbständigung zum Zwecke der besseren Steuerbarkeit und Transparenz. Die Privatisierung, die die Eigentumsverhältnisse aus der Hand der Stadt gibt, ist ein Schritt, den wir bisher nicht vorgeschlagen haben.

Giszas: Ob wir in den Hafen in Altenwerder investieren oder nicht, richtet sich nicht nach einem Anstaltszweck, sondern danach, ob man diese Zukunftsinvestition will oder nicht. Das ist eine Frage, die politisch zu entscheiden ist.

Porschke: Der Unterschied ist doch der: Wenn Sie das nach Marktkriterien machen würden, würden wir uns ja gar nicht einmischen. Aber Sie tätigen Investitionen, lassen Sie zu 20 Prozent durch den künftigen Nutzer gegenfinanzieren und entscheiden in einem völlig geheimen Verfahren, wem Sie den Zuschlag geben.

Giszas: Es ist auch nicht richtig zu sagen, „wir machen das nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten, dann ist die Welt in Ordnung“. Dann würde vermutlich ein Spekulant den Zuschlag kriegen. Wir versuchen, immer unter der Kontrolle der Bürgerschaft – daß die GAL nicht die Mehrheit hat, dafür kann ich nichts – eine Wirtschaftsentwicklungspolitik im Hafen zu betreiben, die zukunftsorientiert ist.

Und das bedeutet, daß wir dem den Zuschlag geben, der im Sinne wirtschaftspolitischer Entwicklung die besseren Zukunftschancen hat. Wir hätten die Hinwendung zum Dienstleistungszentrum, die Sie ja wohl auch wollen, nicht erreicht, wenn wir nicht bei Flächenentscheidungen seit 1989 die Dienstleistungen konsequent bevorzugt hätten.

Porschke: Daß die Dienstleister nur in der Lage sind, vier Mark pro Quadratmeter zu zahlen, glaube ich nicht. Bei dem Stichwort Zukunftsorientierung ist doch die Frage: Wie soll die aussehen? Und die erste knappe Ressource in Hamburg ist die Fläche. Damit muß man sorgsam umgehen, die darf man nicht verschwenden. Dann heißt das, daß man sie nicht zu Dumping-Preisen auf den Markt bringen kann. Und genau das tun Sie mit den subventionierten Hafenmieten. Sie machen nicht nur keine Marktwirtschaft, sondern werfen den Unternehmen das Geld hinterher.

Giszas: Die Fläche ist die knappste Ressource, einverstanden. Aber für eine Volkswirtschaft ist die Verfügbarkeit über eine Hafeneinrichtung von strategischer Bedeutung. Wir sind überzeugt, daß wir in dem Markt der Häfen, in dem wir uns bewegen, marktgerechte Preise fordern.

An Rotterdam kritisieren Sie, daß eine Anbindung an das deutsche Schienennetz subventioniert wird. Das widerspreche dem Beihilfeverbot der EU. Verzerren Sie nicht in Hamburg ähnlich den Wettbewerb durch billige Mieten?

Giszas: Wir bieten Flächen zu vergleichbaren Preisen wie in Rotterdam an. Und jetzt haben wir eine europäische Richtlinie, die die Trennung von Eisenbahnbereich und Fahrweg vorsieht. Aber Rotterdam sagt: „Nein, bei uns ist die Fahrwegbenutzung frei.“ Und: „Ja, wir subventionieren den Eisenbahnbetrieb.“ Also haben wir eine ungleiche Marktsituation.

Porschke: In Hamburg wird auch die Bahntrasse kostenlos zur Verfügung gestellt. Aber was die Flächenvermietung angeht, muß man schon sagen, vergleichbare Konditionen heißt nicht gleiche Preise. Denn Hamburg ist ein Stadthafen, die Flächen sind innenstadtnah, und zu diesem Wert müssen sie gehandelt werden. Der Spielraum, der für die Nutzungsintensität der Hafenflächen noch zur Verfügung steht, ist aus unserer Sicht sehr groß. Technisch wäre der zehnfache Container-Umschlag pro Quadratmeter möglich, das machen andere Häfen vor.

Giszas: Sie wollen doch nicht wirklich eine Singapur-Debatte führen. Zum einen ist Singapur eine reine „Containerschleuse“ in einer Monopolsituation. Zum anderen, wenn Sie das den Hafenarbeitern sagen, daß sie zu Singapur-Bedingungen arbeiten sollen ...

Porschke: Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß es an den Arbeitsbedingungen in Singapur liegt, daß die dort zehnmal soviel Container auf der gleichen Fläche umschlagen können. Die Frage ist, gibt es Möglichkeiten, die Flächenintensität zu steigern? Technisch geht das noch sehr weit.

Giszas: Sie betrachten das Instrument Hafen rein betriebswirtschaftlich. Dann kommt man zu dem Ergebnis, die Aufwendungen decken nicht die Einnahmen. In volkswirtschaftlicher Betrachtung wird das Wirtschaftsgebilde Hafen für Hamburg aber hoch rentierlich.

Finanzsenator Runde hat kürzlich gesagt, daß die Elbvertiefung Priorität habe vor der Hafenerweiterung und vor der vierten Elbtunnelröhre. Teilen Sie diese Auffassung? Ist die Elbvertiefung das erste Ziel für diesen Hafen?

Giszas: Nach Auffassung der Wirtschaftsbehörde sind diese Maßnahmen ein Bündel unabdingbarer infrastruktureller Voraussetzungen. Dabei eine Priorität zu setzen, sehen wir in der Sache nicht.

Ist diese Vertiefung überhaupt notwendig? Die Containerschiffe der vierten Generation können ja schon einlaufen.

Giszas: Ja. Aber sie transportieren immer mehr Ladung, und damit werden die Tiefgangrestriktionen immer größer. Mit der Elbvertiefung werden die Restriktionen für die Reedereien auf ein vertretbares Maß zurückgebracht. Der Wasserverkehr ist ökologisch einer der günstigsten. Und den möchten wir ausschöpfen.

Porschke: Unklar ist, ob der Vorzug des Wasserweges auch für die Elbvertiefung gilt. Solange die Umweltverträglichkeitsprüfung aussteht, kann niemand seriös sagen, wie die reale Auswirkung ist. Aber daß Wirtschaftssenator Rit-tershaus schon heute von Schiffen in der Elbmündung spricht, die sehnsüchtig auf die Flut warten, ist echtes Seemannsgarn. Diese Behauptung ist sogar nach Senatsmitteilungen völlig absurd.

Giszas: Schon 1991 ist diese Frage gestellt worden zur Fahrrinnenanpassung. Damals schon haben die Experten bei einem Hearing gesagt, wir halten die ökologischen Risiken für vertretbar.

Porschke: Unsere Position ist, daß nicht die Flüsse an die Schiffe, sondern die Schiffe an die Flüsse angepaßt werden müssen. Die Vertiefungen und Eindeichungen der Vergangenheit haben dazu geführt, daß die Sturmfluten höher geworden sind. Wir sind gegen den Trend, daß mit immer größeren Schiffen immer weniger Häfen bedient werden. Das beinhaltet erstens die Gefahr, daß die Zahl der Landtransporte zunimmt und zweitens, daß der Konzentrationsprozeß auf wenige Häfen unterstützt wird.

Giszas: Das sind alles alte Argumente. Wir sprechen doch nicht über unbekannte Risiken. Die wirtschaftliche Notwendigkeit haben wir mit Kosten-Nutzen-Analysen dargestellt. Das Material liegt seit eineinhalb Jahren auf dem Tisch.

Welche Vorteile werden mit der Elbvertiefung erzielt? Ist sie der einzig ausschlaggebende Standortfaktor für den Hafen Hamburg?

Porschke: Die Umfragen, die wir unter Reedern gemacht haben, haben gezeigt, daß die Entscheidung für Hamburg nicht von der Elbtiefe abhängt, sondern in erster Linie von Marktfaktoren. Daß Hamburg ein großer Anlaufpunkt ist, weil hier viele Kunden sitzen, weil die Waren auch hierher sollen.

Giszas: Wir haben gar nicht gesagt, daß jedes Schiff zu jeder Zeit nach der Vertiefung ohne Hindernis Hamburg erreichen kann. Wir haben gesagt, 13,50 Meter ist der erreichbare Tiefgang, und 12,50 Meter als fahrbarer Tiefgang in der Elbe ist ein vernünftiger Kompromiß zwischen Eingriff in das Ökosystem und zumutbaren Restriktionen für die Schiffahrtslinien.

Wie steht's mit Altenwerder: Wann legen Sie denn das Finanzierungskonzept für die dortige Hafenerweiterung vor, Herr Giszas?

Giszas: Wir treffen alle Vorbereitungen, um, wenn die richterliche Entscheidung zugunsten des Baus ausfällt, auch unverzüglich mit dem Bau zu beginnen. Dazu gehören Finanzierung und Ausschreibung. Da sind wir mit großem Nachdruck dabei, weil wir überzeugt sind von dieser historischen Entscheidung der Hafenentwicklung.

Porschke: Wir haben immer zwei Alternativen zu Altenwerder gesehen. Die eine ist die Intensivierung der Nutzung der Flächen, die schon existieren. Die zweite ist ein anderer Flächenvorschlag im Petroleum- und Dradenauhafen. Es wird nie die Situation eintreten, daß, wenn Altenwerder nicht kommt, der restliche Hafen zusammenfällt.

Und was tun Sie, wenn Altenwerder nicht kommt?

Giszas: Wir sind ganz sicher, daß Altenwerder kommt.

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