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Heiße Wasser im Wald

■ Alternativer Kesselberg wird internationale Begegnungsstätte

Es klingt wie der Traum vom besseren Leben: Wohnen mitten im Wald, eigener Brunnen, eigene Pflanzenkläranlage, Windkraftwerke liefern den Strom und Solaranlagen das warme Wasser. Und als Clou soll dort selbstverwaltet, selbstbestimmt gearbeitet und gelebt werden.

„Utopisch“ ist dieses Projekt keineswegs, denn einen Ort hat es sehr wohl: den Kesselberg bei Neu-Zittau, gleich hinter der Stadtgrenze Berlins. Dort stehen eine Handvoll Häuser – und Sendemasten. Denn einstmals spitzelte von dort aus die Stasi. Nach der Wende übernahm die Kreuzberger ABM-Firma Atlantis das Gelände von der Treuhand. Nachdem diese im März vergangenen Jahres pleite gegangen war, drohten die Gebäude zu verfallen. Nun versuchen eine Reihe „unverbesserlicher Weltverbesserer“, wie sie sich selber beschreiben, den Konkursverwaltern das Objekt abzukaufen. Damit die Banken den für Kauf und Instandsetzung erforderlichen Millionenkredit geben können, bedarf es der Bürgschaften zahlreicher Unterstützer. Alternative wäre ein direktes Beteiligungsmodell für Anleger. Tommy Ralf, einer der Initiatoren des Vorhabens, ist da guter Dinge. Schließlich seien schon andere Projekte auf ähnliche Weise finanziert worden, so etwa der Mehringhof. Bei etwa 20 festen Bewohnern auf dem Kesselberg könnten Tilgung und Betriebskosten durch 500 Mark pro Kopf und Monat gedeckt werden.

Der Kreis der Interessenten sei bunt gemischt, berichtet Ralf. Man wolle „eine Welt schaffen, in die viele Welten passen“. Ein großer „Talentschuppen“ könnte das werden: Existenzgründungen im Bereich Medizin, Technik, Landwirtschaft und Medien schwebten ihnen vor; auch an eine Volksuni sei gedacht. Bewohnt von einem Kern Gleichgesinnter, erläutert Ralf die Idee, werde der Kesselberg auch Gruppen von außen offenstehen als „Bühne für emanzipatorische bis revolutionäre Ideen und Handlungen“. Der Kesselberg solle zu einer internationalen Begegnungsstätte werden. „Aguas Calientes“ nennen sie ihr Projekt in Anlehnung an die mexikanische Guerilla-Bewegung: Gemeint ist mit den heißen Wassern keine Thermalquelle, sondern vielmehr das Wasser, das im Kessel kocht und das menschliche Miteinander symbolisiert. Marc Ermer ‚/B‘Das nächste Mal trifft sich die Initiative am 15. Juni um 18 Uhr im Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile Lateinamerika (FDCL) im Mehringhof an der Gneisenaustraße.

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