piwik no script img

Getanzte Architektur

■ Die Klangforscher Labradford aus Virginia formulieren präzises Drifting

Wir erinnern uns: „writing about music is like dancing about architecture“. Die Band, die diesen ebenso wohlklingenden wie ausgekauten Vergleich noch einmal nahelegt, macht es nicht so leicht mit der Schrittfolge. Wiegen wir uns in Klassizismus? Schreiten wir bauhausmäßig klar und gezielt? Oder verlieren sich alle Stile und Spuren in postmodernem Mischmasch? Carter Brown (Synthesizer), Mark Nelson (Gitarre, Sampler) und Robert Donne (Schlagzeug) selbst geben sich künstlerisch-verschlossen. Keinerlei Information, nichtmal ein Songtitel verirrt sich auf ihre letzte Veröffentlichung E luxo So. Zu sehen sind schattenhafte Umrisse in hellgrau auf weiß.

Suchmaschinen im Internet können auf solche gewünschten Unhabbarkeiten natürlich keine Rücksicht nehmen. Hier wird die Welt des Klang geordnet, hier verengt sich „Electronic“ zu „Ambient“, das wiederum wird zu „Atmospheric“, wo wir LaBradford finden, in guter Nachbarschaft zu Brian Eno. Dessen Katalog war tatsächlich das erste, an dem sich die Männer aus Virginia abarbeiteten. Der diesbezüglich weit offenstehenden Falle von Kitsch und Esoterik entgingen sie in Folge knapp aber deutlich. Organisches Spiel, klangliches Know-How und die erfreuliche Tendenz, immer wieder störende Elemente zu addieren, macht den Klangkörper zu einer im Besinnlichen reizvollen un nicht lähmenden Erfahrung. Die Gruppe, die einst zu zweit begonnen hatte, reichert an, der offene strukturelle Raum lädt ein. Neu und dominant sind Streicher, was im Zusammenspiel mit dem elegisch-repetitiven Klavier den Bogen zur modernen Klassik etwas kürzer schlägt. Eno ist von Arvo Pärt verdrängt, zivilisatorische Einsamkeit in Spiritualität und Vergeistigung überführt.

Wie sehr die Band nach sieben Jahren den Stellenwert eines eigenen Genres einnimmt, zeigt sich daran, daß unter ihrem Namen mittlerweile unterschiedlichste Acts zu sogenannten „Drifting“-Festivals zusammenkommen, wo von Oval über Pole bis zu Caspar Brötzmann Klangideen ausformuliert werden, Zeit keine und gleichzeitig eine wesentliche Rolle spielt. In dieser Klammer fühlen sich Labraford wohl: Sie wollen das System nicht erweitern, sondern betreiben millimetergenau austarierte Harmonielehre. Im Dienste des runden, schönen Geists. Holger in't Veld So, 20 Juni, 21 Uhr, Molotow

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen