: Dubidu aus Indien
■ Wieder mal kam Uncle Mo ins Moments. Er war eine Frau und hieß Sandhya Sanjana
Können Sie sich noch daran erinnern, was passierte, wenn sich vor fünfzehn Jahren eine MusikerIn aus dem eigenen Heimatdorf mit einer MusikerIn aus anderer Leute Heimatdorf zusammentat und zwischen beiden Heimatdörfern sich eine Wegesstrecke von mehr als tausend Kilometern zog? Jedes einzelne, kleine, unschuldige Nötchen dieser Mischpoke wurde, kaum war es verhallt, seziert mit der Gründlichkeit einer kriminologischen Autopsie: Was ist authentisch, was verunstaltet, mißbraucht, vergewaltigt. Und irgendwie ging man als politischer Mensch immer davon aus, daß es die fremden Klänge seien, die vampiristisch ausgesaugt werden, genau wie die Bananenplantagen und Kupferminen der Dritten Welt.
Der Jazz mit seinen flatterhaften Combobesetzungen, dem humanistisch-polygamen Glauben des Jeder-kann-mit-jedem trug zu einer Entspannung der Sache mit dem Geben und Nehmen bei. Längst ist Erntezeit, auch beim mittwöchlichen „Who's Uncle Mo?“ im Moments. Als special guest mooote diesmal – ausnahmsweise dienstags – die indische Sängerin Sandhya Sanjana. Nach einem (Bremer) Didjeridoospieler die zweite Kolaboration von MosNeffen mit Musik aus fremdem Kulturkreis. Gerade mal zwei Tage vor dem Auftritt haben – so eine Mit-Moistin – Gitarrist Apel und Schlagzeuger Jörn Schipper die Inderin das erste Mal gesehen. Aber mit ein bißchen pentatonikartigen Skalen und Wahwah und Hall auf der Gitarre geht das Abendland ganz gut zusammen mit dem entweder jazz-scatenden oder auf Vokalen dahinschwebenden Gesang Sanjanas. Und vor allem: Bei den sehr wechselhaften Stücken fragt heute kein Mensch mehr, was da Jazz, Pop oder indische Klassik ist. Ganz einfach, weil sitarähnliches Gezirpe aus der Elektronikkiste längst zu unseren Hörgewohnheiten zählt und Jazziges wahrscheinlich zu denen Sanjanas. Ihr linker Zeigefinger tippelt mit der Regelmäßigkeit eines Uhrenpendels den Beat auf den Kleiderstoff, Apels Jazzernacken dagegen bevorzugt mehr das Synkopische und Schippers rechter Fuß liebt den sich gegen Vorerwartungen sperrenden Überraschungsakzent. Aber die etwas unterschiedlichen Rhythmusempfindungen, die sich darin niederschlagen, schieben sich nicht fremd, sondern freundschaftlich ineinander, mal mit meditativem Ergebnis, mal voranreitend. Das gastfreundliche Lebensprinzip der Familie Mo manifestiert sich in spannender musikalischer Struktur.
Auch wenn Sanjana wie ein langer, ruhiger Fluß dahinschwimmt, kann sie noch jede Menge melismatische Schnörkel einbauen, ohne allerdings die Ruhe zu stören. Derlei virtuose Schnörkel und Schlenker stellen Koloraturarien aufdringlich zur Schau, und Popdiven wie Mariah Carey lassen sich dafür feiern. Im indischen Gesang scheint technische Brillanz wie nebenbei eingesetzt. Auch für die angenehmere Sorte der Jazzer ein Ideal. Für Apel und Schipper ganz gewiß. bk
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