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Millionen für zweite Liga

■  Nach dem verpaßten Aufstieg setzt Tennis Borussia alles auf eine Karte. Neue Einkäufe erhöhen den Druck für die nächste Saison

Die Vereinsflagge von Tennis Borussia im Mommsenstadion weht auf Halbmast. Durch das vermeidbare 0:2 am vergangenen Sonntag gegen den SSV Ulm verspielten die Berliner ihre letzte Chance, in die erste Bundesliga aufzusteigen. Das Saisonfinale heute in Mainz dient nur noch statistischen Zwecken. Trainer Winfried Schäfer behielt angesichts des Saisonausgangs für TeBe zwar äußerlich die Contenance. Trotzdem zeigt er Nerven. Über 20 Millionen Mark hatten die Charlottenburger in diese Saison investiert, „um in einem Rutsch“ in die Eliteliga zu gelangen.

Der Druck in der kommenden Spielzeit, das Ziel zu erreichen, ist angesichts des neuen Etats der Vereinsführung noch höher für Schäfer. „Am 12. Juli greifen wir wieder an, dann habe ich eine andere, meine Mannschaft zur Verfügung“, macht sich Schäfer Mut zum Trainingsstart zur Saison 1999/2000.

Für die Borussen wird es eine der wichtigsten Spielzeiten in der fast 100jährigen Vereinsgeschichte. „Dann zählt nur der Aufstieg“, weiß Schäfer. Noch einmal – vielleicht das letzte Mal, wie Kritiker unken – wird der De-facto-Eigner des Traditionsclubs, der Finanz- und Versicherungskonzern „Göttinger Gruppe“, sein Füllhorn über dem Mommsenstadion entleeren und Schäfers Wünsche nach neuem Spielerpersonal erfüllen. Rund acht Millionen Mark wurden bereits in neue Spieler investiert. Und die Gelddruckmaschine der „Göttinger Gruppe“ will noch einmal dieselbe Summe lockermachen.

Fürwahr liest sich die Liste verpflichteter Verstärkungen wie ein Who's who des deutschen Spitzenfußballs. Verstärkungen für „Schäfers Herde“ sind Ciric, Hilfiker (beide Nürnberg), Ouakili (1860 München), Rösler (Kaiserslautern) sowie Kirjakow (Hamburg). An Torjäger Ciric war übrigens auch Hertha BSC brennend interessiert, doch das finanziell bessere Angebot versüßte dem Makedonier den sportlichen Abstieg in die Zweitklassigkeit.

Auf Schäfers Wunschliste stehen nun weiter prominente Namen wie Kientz (1860 München), der Österreicher Weißenberger (Linz) und sogar Suchoparek (Straßburg), Libero der tschechischen Nationalelf, die derzeit für viel Furore sorgt. Der Slowake Vladimir Kinder, Verteidiger des englischen Eliteclubs Middlesborough, absolvierte in Eichkamp ein Testtraining. „Wir setzen alles auf einen Neuaufbau“, verkündete Aufsichtsratschef Erwin Zacharias, zugleich Vorstandsvorsitzender der mächtigen „Göttinger Gruppe“.

Ob Schäfers Konzept aufgeht, ist dennoch fraglich: Von drei Cheftrainern in der Saison 1998/99 hat der als Starcoach für ein stattliches Jahresgehalt von angeblich zwei Millionen Mark angeheuerte Rotschopf die schlechteste Bilanz erzielt: magere zehn Zähler aus zehn Spielen. Zum Vergleich: Sein Vorgänger, der eiskalt abservierte Tscheche Stanislav Levy, sammelte in neun Partien immerhin 15 Punkte. „Ich habe nicht versagt“, wehrte sich Schäfer nach der Ulm-Pleite gegen Vorwürfe, er würde alles Negative der Mannschaft ankreiden, damit sein Image als Top-Trainer keine Kratzer abbekommt. Kleinlaut räumt er jedoch ein: „Ich bin kein Wunderheiler, sonst würde ich garantiert etwas anderes machen.“

Schon einmal ist der TeBe-Trainer mit dem Konzept einer teuren Millionen-Truppe gescheitert. Große Erfolge feierte er in Karlsruhe mit jungen Nachwuchskikkern. Nachdem die Badener aber 1996 ihr Konzept „KSC 2000“ vollmundig vorgestellt hatten, mit dem Schäfer den Klub in europäische Sphären führen wollte, ging es fortan steil bergab in die 2. Liga. Teure Spieler erwiesen sich als Transfer-Flops. Schäfer legte sich mit Präsidium und Management an. „Bei uns gibt es keine Trainerdiskussion“, erstickte der TeBe-Allmächtige Zacharias unbequeme Diskussionen über mögliche Parallelen zwischen Karlsruhe und Berlin. Jürgen Schulz

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