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Italiens Fußball hat sein doppeltes Unterhaching

■ Die armen Provinzschlucker Reggina und Lecce aus dem Süden des Landes schaffen zum Erstaunen der reichen Klubs den Aufstieg in die höchste italienische Spielklasse

Rom (taz) – Mit nur einem Sieg an den ersten sieben Spieltagen war er in die Meisterschaftsrunde der zweiten Fußballiga Italiens gestartet – und schaffte im letzten Spiel der Saison dennoch eine ähnliche Sensation wie die SpVgg Unterhaching in Deutschland: Reggina, der Klub aus Reggio Calabria, bezwang den schon aufgestiegenen AC Turin auswärts mit 2:1 und steigt damit in die Serie A auf. Ein Einspruch wegen Unregelmäßigkeiten beim letzten Match wurde am Dienstag abend zurückgewiesen.

1989 war Reggina schon einmal nahe dran – und ließ sich im letzten Moment im „Spareggio“, der Ausscheidungsrunde, die Butter vom Brot nehmen. Diesmal sorgten 15.000 mitgereiste Fans in Turin dafür, daß es zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte klappte. Gegen Ende der Partie veranstalteten sie ein derartig enthusiastisches Pfeifkonzert, daß der verwirrte Schiedsrichter die Partie drei Minuten zu früh beendete – dann stürmten sie den Rasen und feierten ihre Helden. Ähnliche Szenen spielten sich am gleichen Tag im apulischen Lecce ab, wo ebenfalls der Einzug in die höchste italienische Spielklasse geschafft wurde.

Die italienische Presse wertet den Aufstieg der beiden kleinen Klubs aus dem Süden als Zeichen dafür, daß in den Zeiten der Werbemillionen, des Merchandisings und europäischer Superligen der Fußball der guten alten Zeit immer noch lebendig ist – und sogar erfolgreich sein kann. Während Massimo Moratti, eben zurückgetretener Präsident von Inter Mailand, seinem Verein als Abschiedsgeschenk Christian Vieri für den Rekordpreis von mehr als 80 Millionen Mark vermachte, und sich auch sonst das Transferkarussell in der Serie A mit schwindelerregenden Käufen dreht, sind die Stars Regginas und Lecces entweder Eigengewächse oder von den Großvereinen ausrangierte Veteranen. Auch die ausländischen Verstärkungen haben keine klingenden Namen: Bei Lecce stürmt mit David Sesa ein Schweizer Nationalspieler, und hinten sichert ein französischer Verteidiger, Jean-François Cyprien, ab, der zuvor auch in der Schweizer Liga sein Brot verdiente und die Dreißig hinter sich gelassen hat.

Daß kleine Klubs mit bescheidenen Mitteln Erfolg haben können, nehmen die Italiener zwar erstaunt, aber doch als schönen Farbtupfer ihres „Calcio“ hin. Speziell für die Norditaliener fast nicht nachvollziehbar scheint die Tatsache zu sein, daß die beiden Teams aus dem tiefsten Süden des Landes stammen – von der „Stiefelspitze“ bzw. dem „Stiefelabsatz“ des italienischen Festlandes: Gegenden, die traditionell den Ruf haben, auch mit viel Unterstützung und Finanzspritzen aus dem Norden wenig bis gar nichts zustande zu bringen. Daß es doch geht, wird inzwischen von Italiens Regierung für sich als Erfolg reklamiert.

Viel Kredit wird Lecce und Reggina gegen die großen Reichen freilich nicht zugestanden werden. Die Tageszeitung La Republicca prognostiziert schon jetzt, daß nur ein Großklub, bei dem sich alle Mittel des Südens bündeln, langfristig erfolgreich sein könnte. Was aber daraus werden kann, zeigt das triste Beispiel des SSC Neapel: Ende der 80er Jahre mit Maradona zweimal Meister und einmal Uefa-Cup-Sieger, war der Klub zum Identifikationssymbol und Aushängeschild des Südens geworden. Doch schon bald wurde er zwischen den verschiedenen Interessen der Vereinsmächtigen und manch trüber Geschäftemacher aufgerieben und zudem vom damaligen Erzrivalen AC Milan und seinem Chef Silvio Berlusconi mit psychologischer Kriegsführung gehetzt, bis nichts mehr vom Glanz übrigblieb. Heute dümpelt der Verein in der zweiten Liga umher – zum letzten Spiel dieser Saison kamen gerade noch 89 zahlende Zuschauer. Georg Gindely

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