: Beredtes Schweigen vom Bundeskanzler
In seiner Regierungserklärung zum G-8-Gipfel blendete Regierungschef Schröder die Probleme bei Konjunktur, Arbeitslosigkeit und Europapolitik aus. Union: Rot-Grün ist schuld am schwachen Euro ■ Von Bettina Gaus
Mit Spannung war die Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder zum bevorstehenden G-8-Gipfel in Köln erwartet worden: Immerhin handelte es sich um seine erste Parlamentsrede nach der verheerenden Niederlage der SPD bei den Europawahlen, und sie fand vor dem Hintergrund neuer interner Auseinandersetzungen über den künftigen Kurs statt. Aber Schröder richtete seinen Blick konsequent über die Grenzen Deutschlands hinaus – und ermöglichte damit Oppositionsführer Wolgang Schäuble einen klaren Punktsieg.
„Vieles von dem, was Sie gesagt haben, findet auch unsere Zustimmung,“ sagte Unions-Fraktionschef Schäuble an Gerhard Schröder gewandt. „Allerdings haben wir manches vermißt, was eigentlich vom deutschen Bundeskanzler heute hier hätte gesagt werden müssen.“ Anhaltender Beifall in den Reihen der Union. Tatsächlich hatte der Kanzler zu einigen Themen auffallend beredt geschwiegen. Die Entwicklung der Arbeitslosigkeit und die konjunkturelle Lage in Deutschland spielten in der Rede ebensowenig eine Rolle wie die Europawahlen und der künftige Kurs der Bundesregierung. Schröder blieb allgemein: „Die Globalisierung berührt die Fundamente unserer Kultur und unseres Zusammenlebens insgesamt.“
Auch wirtschaftliche Prognosen wollte der deutsche Regierungschef lediglich für die ganze Welt abgeben: In diesem Jahr sei noch nicht mit einem „kräftigen Wachstum“ zu rechnen, wohl aber im nächsten. Er sei „zuversichtlich“, daß in Köln eine „umfassende Schuldeninitiative für die ärmsten Länder“ vereinbart werden könne. „Die Inflation bleibt auch weiterhin unter Kontrolle“, versprach er mit Blick auf die Europäische Union und kam dann doch kurz auf die deutsche Innenpolitik zu sprechen: Die Bundesregierung werde mit einer „entschiedenen Konsolidierung des Bundeshaushalts in Verbindung mit einer Reform der Unternehmensteuer“ ihren Beitrag zur Stabilität leisten.
Süffisant machte Wolfgang Schäuble die thematische Beschränkung des Kanzlers zum eigenen Thema. Nichts habe er zu dem gemeinsam mit dem britischen Premier Tony Blair erarbeiteten Papier gesagt, an das er offenbar selbst nicht erinnert werden wolle: „Das Papier, wenn man es ernst nimmt, ist eine vernichtende Kritik der Politik, die die Regierung Schröder seit ihrem Amtsantritt betrieben hat.“ Der Fraktionschef nutzte die Gelegenheit zur Abrechnung mit der Bundesregierung. Sie betreibe eine „Rentenpolitik nach Kassenlage“, Gesundheitspolitik werde „mit einem bürokratischen Dirigismus ohnegleichen“ betrieben und „die schlechte Politik der Bundesrepublik Deutschland“ sei „die entscheidende Ursache“ für die gegenwärtige Schwäche des Euro.
Ob denn die Probleme gar nichts mit 16 Jahren Kohl-Regierung zu tun hätten, wollte Schröder in einem Zwischenruf wissen. „Wir waren auf einem guten Weg“, antwortete Schäuble. Da mußten Bundeskanzler, Außenminister und viele Abgeordnete in den Reihen der Regierungsfraktionen aber herzlich lachen. Schäubles Ton wurde schärfer: „Wer in so unglaublicher Weise die kleinen Leute betrogen hat, der sollte hier nicht lachen, sondern der sollte in sich gehen und sich schämen.“
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