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Schmidbauer inszeniert sich in Cali

■ Der ehemalige deutsche Geheimdienstkoordinator „hilft“ bei der Freilassung von Geiseln der kolumbianischen Guerilla ELN

São Paulo (taz) – Isaias Duarte Cancino ist mit seiner Geduld am Ende. Am Tag nach der Freilassung von 33 Geiseln durch die ELN (Heer zur nationalen Befreiung) sagte der progressive Erzbischof von Cali, es sei „bedrükkend“, wie die „Guerilla, die so viel Schlimmes über die Menschen gebracht hat, nun als Wohltäter dasteht“. Denn offenbar wollen die Rebellen die restlichen 38 Menschen, die sie am 30. Mai aus einer Kirche in einem Nobelviertel Calis verschleppt hatten, nur nach Zahlung eines erklecklichen Lösegeldes freilassen.

„Irgendwann müssen die Reichen die Folgen des Krieges spüren, damit sie sich für den Frieden einsetzen“, begründet ELN-Chef Nicolás Rodriguez die Aktion. Eine der Geiseln starb vergangene Woche an Herzversagen.

Während der konservative Präsident Andrés Pastrana zuletzt die Gespräche mit den mächtigen FARC (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) vorantrieb, strafte er die ELN mit Mißachtung. Doch mehr als das treffen die Rebellen die Massaker, mit der rechte Killerkommandos nahezu unbehelligt von der Armee die soziale Basis der ELN dezimieren. An der Grenze zu Venezuela werden seit Wochen 8.000 Menschen terrorisiert.

Die Guerilleros beharren auf einer „nationalen Konvention“ mit der „Zivilgesellschaft“, die vor einem Jahr im Kloster Himmelspforten bei Würzburg beschlossen worden war. Als Voraussetzung für einen direkten Dialog mit der Regierung fordern sie eine Entmilitarisierung ihrer Hochburg im Süden der Provinz Bolivar. Daß Pastrana darauf eingehen wird, ist nach den jüngsten Entführungen unwahrscheinlicher denn je.

Mehr Druck auf Pastrana erhofft sich die ELN von einer diplomatischen Offensive aus Europa. Eine entscheidende Rolle dabei spielen ihre alten Bekannten aus Deutschland: Ex-Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer und das Agentenpärchen Werner und Ida Mauss. Seit 1994 hatten die Deutschen in mehreren Entführungen der ELN vermittelt. Beide wurden verdächtigt, sich an den Entführungen zu bereichern und saßen acht Monate in Kolumbien inHaft.

Auch nach den Regierungswechseln in Bonn und Bogotá lassen sie nicht locker. Im Beisein von Schmidbauer entschuldigte sich vor zwei Wochen ELN-Chef „Gabino“ im Vatikan für die Entführungen. Sein Gesprächspartner war der kolumbianische Kardinal Dario Castrillón.

Seit Monaten möchte Werner Mauss die Bundesregierung für eine Rolle als „Schlichter“ in Kolumbien erwärmen. Doch sein Versuch, die SPD-Abgeordneten Karin Kortmann und Frank Hempel zur Geiselfreilassung nach Cali zu lotsen, endete für den umtriebigen Agenten in einem Fiasko. Kortmann, die im Februar Kolumbien besucht hatte, unterstellt Mauss „finstere Absichten“ und wirft ihm vor, die dortige „Entführungsindustrie“ zu fördern. Auch Hempel wehrt sich gegen jede Vereinnahmung und geißelte die „menschenverachtenden Praktiken der ELN“.

Distanziert betrachtet die deutsche Regierung die Aktivitäten Schmidbauers, bis zu dessen Ankunft in Cali die erste Geiselfreilassung hinausgezögert worden war. Und aus Regierungsquellen in Bogotá heißt es, der CDU-Abgeordnete werde lediglich „aus humanitären Gründen“ geduldet. Einigkeit besteht in Bonn und Bogotá darüber, daß das Gespann Schmidbauer/Mauss von künftigen Verhandlungen fernzuhalten ist. Gerhard Dilger

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