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Keine Chance gegen Milosevic

Der Westen hofft auf die serbische Opposition. Doch trotz der vielen Niederlagen des Präsidenten droht ihm keine ernste Gefahr. Seine Gegner sind untereinander zu zerstritten, um ihn zu stürzen  ■   Aus Belgrad Andrej Ivanji

Vor genau einem Jahrzehnt hat Slobodan Miloevic die Macht in Serbien ergriffen. Als Präsident Serbiens hat er den Krieg in Kroatien und Bosnien verloren, der einen Exodus der serbischen Bevölkerung, große territorialeVerluste und den wirtschaftlichen Niedergang zur Folge hatte. Serbien wurde zu einer langjährigen Isolation verurteilt, die Serben wurden als das meistgehaßte Volk in Europa gebrandmarkt.

Miloevic drängte die zweite jugoslawische Teilrepublik Montenegro aus der gemeinsamen Föderation heraus, weil der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic eine prowestliche Politik anstrebte, sich für eine Demokratisierung des Landes einsetzte und Miloevic als einen „verbohrten Absolutisten“ kritisierte, den „die Zeit überrannt“ hätte. Die Föderation besteht mittlerweile de facto nur noch auf dem Papier.

Als jugoslawischer Präsident, im Kriegszustand also der Oberbefehlshaber der jugoslawischen Armee, führte Miloevic den Staat und das Volk in einen Krieg gegen die Nato. Das Resultat: Serbien ist zerstört, Kosovo, die „Wiege des Serbentums“, verloren.

Und immer noch sitzt Miloevic fest im Sattel, und da fragt man sich im Westen natürlich: Was macht denn die serbische Opposition? Wie ist das möglich, daß Miloevic ein ganzes Jahrzehnt lang eine Schlacht nach der anderen verliert und es kein einziges Mal zu einem Machtwechsel gekommen ist?

Die serbische Opposition ist seit langem zerstritten und hat sich bisher nicht auf eine Führungsperson einigen können. Und einzeln sind die Parteien zu schwach und verfügen nicht über die geeignete politische Infrastruktur, um das Regime ernsthaft bedrohen zu können.

Immer wieder hat es Miloevic geschafft, die Oppositionsparteien gegeneinander auszuspielen oder sie kurzfristig in das Machtsystem einzubinden. So stellt sich die ultranationalistische Radikale Partei Serbiens (SRS) unter dem Vorsitz von Vojislav eelj der Bevölkerung als eine Oppositionspartei dar, eelj bezeichnet sich gern selbst als den einzigen seriösen Kontrahenten Miloevic'. Doch immer wenn es brenzlig wurde, konnte Miloevic auf die Unterstützung eeljs zählen, dessen Radikale allerdings mit der Zeit die stärkste Einzelpartei in Serbien geworden sind.

Die totale Konfusion in die Reihen der serbischen Opposition brachte niemand anderer als der bekannteste serbische Oppositionsleader, Vuk Draskovic. Noch 1991 führte er die Volksmassen gegen das Regime Miloevic an. Mit Panzern mußte der Volksaufstand unterdrückt werden. Draskovic und seine Frau wurden von der Polizei fast zu Tode geprügelt.

Ausgerechnet Draskovic ließ sich dann auf eine Koalition mit Miloevic ein. Draskovic wurde unter Miloevic jugoslawischer Vizepremier. Während des Krieges kritisierte er jedoch seine Koalitionsparnter, bekam den Laufpaß und möchte jetzt wieder Oppositionsführer sein.

Neu und unverbraucht auf der oppositionellen Szene Serbiens ist der „Bund für Veränderungen“, dem 20 Oppositionsparteien beigetreten sind. Doch er ist relativ unbekannt, einflußlos und hat nur zu unabhängigen Printmedien mit geringen Auflagen Zugang.

Der Bund befürchtet nun, nach dem verlorenen Krieg, daß die Repression in Serbien noch größer, daß die Opposition gar keinen Spielraum haben wird, daß die unabhängigen Medien, die gerade wieder angefangen haben, die Kriegszensur zu mißachten, erstickt werden.

Denn das Regime muß sich auf die Zeit der „großen Ernüchterung“ der Bevölkerung vorbereiten, wenn die ganze Tragödie im und um Kosovo an die Oberfläche kommt, wenn bekannt wird, daß Miloevic keinesfalls der strahlende Gewinner und Friedensstifter ist und es Nato-Truppen sind, die das Kosovo kontrollieren. Und Repression ist das einzige Mittel, das noch verblieben ist.

Der Bund für Veränderungen versucht derzeit alle Oppositionsparteien im Lande in einer Front gegen das Regime zu vereinigen und auch die montenegrinische Regierung in diesen Prozeß miteinzubinden. Erst kürzlich trafen sich Vertreter des Bundes in Montenegro mit Milo Djukanovic. Das serbische staatliche Fernsehen bezeichnete dies, als eine „Versammlung der Fünften Kolonne und Verräter“, die gewalttätig im Auftrag des Westens das jugoslawische Regime stürzen wollten.

Noch nie war die serbische Opposition in einer so schwierigen Lage. Und doch war die Situation noch nie so günstig, um vorzeitige Wahlen zu erkämpfen.

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