: Der freundliche Massenmörder
■ Zoran Petkovic lebt nicht mehr in Suva Reka. Er ist geflohen, bevor die Nato-Truppen kamen. Zoran war Busfahrer und ein Mann mit Beziehungen. Zwei Tage nach dem Beginn des Kosovo-Krieges erschoß er mit Kameraden 23 Mitglieder einer albanischen Familie. Ein Mann mit einer Mission und einer Kalaschnikow
Suva Reka ist eine Kleinstadt im Kosovo. Vor drei Monaten hatte sie noch 20.000 Einwohner. Albaner und Serben lebten ohne größere Spannungen zusammen, Familien wie die Familie Petkovic mit ihrem Sohn Zoran, Busfahrer und Mann mit guten Beziehungen, und Familien wie die Berishas. Zorans Vater besaß einen florierenden Weinimport, die Familie Berisha zählte zu den wohlhabendsten unter den albanischen Familien.
Dann kam die Kosovo-Krise, und die Spannungen zwischen den Volksgruppen wuchsen, und dann kam der Kosovo-Krieg. Die OSZE-Beobachter, die in Suva Reka stationiert waren, zogen ab. „Es wird alles gut“, sagten sie zu den Berishas, in deren Haus sie gewohnt hatten. Am 24. März begannen die Nato-Bombenangriffe auf Serbien.
Nichts wurde gut für die Albaner in Suva Reka. Serben begannen einen Rachefeldzug. Am 26. März, zwei Tage nach Beginn des Krieges, waren 60 Prozent der Häuser des Ortes in Brand gesteckt. Und am Mittag dieses Tages traten fünf maskierte Männer vor das Haus der Berishas. Unter ihnen war auch Zoran Petrovic. „Du willst Nato? Wir geben dir deine Nato“, riefen sie. Kurze Zeit später lebten von den 26 Familienmitgliedern der Berishas nur noch drei. Eine von ihnen, Vjollca Berisha, wurde bis jetzt von einer serbischen Familie versteckt.
Jetzt sind die ersten Flüchtlinge zurückgekehrt. Sie finden den ausgestorbenen Ort und die zerstörten Häuser. Zoran Petkovic finden sie nicht. Er hatte unmittelbar nach der Vereinbarung über den serbischen Abzug die Stadt verlassen.
Mit den Flüchtlingen kam die britische Journalistin Maggie O'Kane vom Guardian nach Suva Reka. Sie hat die Geschichte von Zoran Petkovic, dem freundlichen Busfahrer, der zum Massenmörder wurde, und der Familie Berisha aufgeschrieben. Reportage Seite 3
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