: Glokalisierung total
■ Städte als Think Tanks und Frischzellenzentren: Bis gestern tagten in Hamburg die Europäischen Kulturmetropolen
Beinahe hätte die EU sie vergessen: die Städte Europas, von denen kulturelle Triebkraft ausgeht. Ein internationaler Schulterschluß von 24 Metropolen inner- und außerhalb der EU traf sich aber bis gestern zu seiner zweiten Konferenz. In Hamburg, das den Anschluß nicht verpaßte und sich so wieder Tor zur Welt nennen darf.
Anknüpfend an seinen ersten Kongreß – 98 in Wien – beschloß der Verbund seine Expansion: Es wird ein European Urban Cultural Forum geben, aus Kulturpolitikern und Experten bestehend. Italien, Frankreich und Spanien, bislang als mediterranes Trio kulturaktiv, sollen einbezogen werden. Und vielleicht ist der nächste Kongreß – 2000 in Krakau – bereits mit Mitteln aus EU-Töpfen gefördert. Denn an die will und muß man ran, und Brüssel wird nicht umhin können, sich zu kümmern.
Urbane Kulturpolitik gewinnt an Bedeutung: 80 Prozent der Europäer leben in Städten, die Vielfalt städtischer Bevölkerungsgruppen liegt im Trend, und es sind die Metropolen, die neue Wege kultureller Produktion und Vermittlung beschreiten. Zum Schlagwort Multikulti gesellen sich weitere, so „Interkulturalismus“. Dennoch sind rechtsnationale Brennpunkte überall in Europa eine Gefahr. Eine Glokalisierung – eine Globalisierung des Lokalen – ist also längst fällig.
Städte als Think Tanks, als Frischzellenzentren: Politischer Hintersinn dessen ist, Kultur als soziales Ventil, als Identifikationsangebot, als Instrument des Abbaus von Vorurteilen, zur Vorbeugung gegen regionalen Patriotismus zu nutzen. „Es gibt eine spezifisch urbane Verantwortung“, weiß Peter Marboe aus Wien, einer der Väter des Projekts. Christina Weiss, als Hamburgs Kultursenatorin Gastgeberin, spekuliert richtigerweise auch auf Beschäftigungs- und Existenzgründungsprogramme, will den Arbeitsmarkt Europa-Kultur samt Kulturmanagement stärken.
Den Wunsch nach Austausch und Bündelung der Ressourcen – im Zeichen des Euro und auf Städteebene – haben sogar die USA: Charles Landry von der World Bank propagiert in diesem Sinn die Beweglichkeit von Kultur. Durchaus auch problematische Fragen nach Kulturtourismus und geregelter Konkurrenz der Städte werden demnächst beantwortet. Hoffentlich nicht nur mit Konferenzen, sondern mit konkreten Projekten.
Gisela Sonnenburg
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