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Reiselieder eines unbegnadeten Musikers

■ Der irische Sänger und Poet Andy White spielte im Kino 46

Ein begnadeter Musiker – das muß gleich zu Anfang gesagt werden – ist er nicht gerade: Andy White begleitet sich auf der Gitarre mit den paar gängigen Riffs für Folksongs. Und viel mehr als eine musikalische Grundidee ist in keinem seiner Stücke zu entdecken. Aber er hat eine angenehme, weiche Stimme, der man gerne zuhört, und so konzentriert man sich schnell auf das Wesentliche seiner Songs: die Texte.

Deshalb wurde schnell klar, daß dieses von der Jazz & Pop-Redaktion von Radio Bremen organisierte Konzert ideal in die Veranstaltungsreihe „Beyond the Green Fields“ im Kino 46 paßte. Denn Andy White schwebte hoch über all den bequemen Klischees von vom kitschig, idyllischen Irland. Whites Songs und Gedichte, die er dramaturgisch geschickt zwischen Liederfolgen vortrug, wirkten wie ein poetische Portrait des Künstlers als junger Nord-Ire. James Joyce wird hier nicht leichtfertig angerufen, denn White widmete ihm mit „Looking for James Joyces Grave“ eines seiner Lieder, das wie die meisten aus Tagebucheintragungen zusammengedichtet zu sein schien.

„Dieses Lied beginnt in Dublin und endet in Zürich“, sagte er in seiner Ansage, und tatsächlich konnte man von Strophe zu Strophe seine Pilgerfahrt nachempfinden. Ein anderes Lied ging von Moskau nach Belfast – White scheint hier das neue Genre des Reiseliedes zu etablieren. Alle Songs und auch die Gedichte erlaubten so einen direkten Zugang für das Publikum, White versteckte sich nie hinter kryptischen Textzeilen, und bei den Poems erklärte er sogar vorher die eventuell schwierigen Stellen. So fragte er etwa, ob man hier noch die alte Automarke Renault 4 kennen würde, denn ein solcher kam in seinem Gedicht über die Ausflüge in seiner Jugend von Belfast nach Dublin vor.

Manchmal war Andy White einfach nur albern, etwa bei seinen Ulk-gedichten über die sechs Fragen, die sich ein Kontrabaßspieler immer wieder anhören muß, oder bei den sieben Strophen darüber, was passiert, „when a beautiful girl gets out of the bar“. White steht auch hier in einer irischen Tradition, aber seine Gedichte sind weit jenseits von den einst in Deutschland so beliebten Limericks.

Seinen Witz bewies Andy White auch dadurch, daß er solch ein Wortungetüm wie „european financial crisis“ mit großer Eleganz in einem seiner Lieder unterbringen konnte. Natürlich müssen in den Texten eines Songwriters aus Belfast auch die „troubles“, die blutigen, politischen Auseinandersetzungen, eine Rolle spielen, und auch hierfür fand White einen sehr persönlichen und unmittelbaren Stil. In dem Song „Religious Persuasion“ schilderte er, wie er als Achtjähriger bei einem Spaziergang zwischen die Fronten geriet.

Und zum Waffenstillstand fand er sein wohl schönstes poetisches Bild: Über seinem Wohnviertel kreisten am Tag des ceasefire zum ersten Mal seit Jahrzehnten keine Hubschrauber der britischen Armee mehr, und so dichtete Andy White „Peace sounds like no helicopters“. Nur die wirklich guten Poeten können so einfach klingen.

Wilfried Hippen

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