Das Portrait: Mann mit Vergangenheit
■ Willi Lemke
Bremens neuer Bildungssenator: Willi Lemke Foto: AP
Am Ende war es tatsächlich der verschossene Elfer von Lothar Matthäus im Pokalendspiel Bremen gegen Bayern, der Willi Lemke den letzten Kick gab. Mit dem Erfolg im Rücken und dem Pott unterm Arm startet der quicke Willi jetzt seine vierte Karriere: Zuerst war er Doppelagent, dann SPD-Landesgeschäftsführer in Bremen, dann 18 Jahre lang Manager von Werder Bremen. Nun wird er im kleinsten Bundesland Bildungssenator in einer rot-schwarzen Koalition.
Der Mann, der mit Geld und Medien besser umgehen kann als mit Untergebenen, hat sich bereits mit einer programmatischen Aussage an seine künftigen Schutzbefohlenen gewandt: die vielen frustrierten Lehrer dazu motivieren, mit mehr Optimismus in die Schule zu gehen.
Lemke, 52, Familienvater, Sportlehrer, Marathonläufer und Sozi seit 1971 ist ein alter Spezi von Bremens Bürgermeister Henning Scherf. Obwohl er Anfang der 70er auch Wissenswertes über „den Langen“ an den sowjetischen KGB weitergegeben haben soll. 1994 wurde bekannt, daß Lemke als Student in Hamburg drei Jahre lang für KGB und Verfassungsschutz Doppelagent war. Dem Spiegel erzählte Lemke, der KGB hätte möglicherweise einen „zweiten Guillaume“ aus ihm machen wollen. Lemke hatte über die in Bremen aufgewachsene Brigitte Seebacher-Brandt, dritte Ehefrau des Altbundeskanzlers, ein Entree ins Haus Willy Brandts in Unkel. Brandt hatte angeblich sogar erwogen, Lemke als Bundesgeschäftsführer vorzuschlagen.
Das der Bremer SPD-Spitze bekannte „Geheimnis“ Lemkes schadete seiner politischen Karriere nicht. Lemke („Das ist nur ein Kratzer auf der Backe“) wurde Bildungsreferent der SPD und bald darauf Landesgeschäftsführer. Man kannte ihn als ehrgeizigen Strippenzieher. 1981, im gleichen Jahr wie Trainer Otto Rehhagel, kam Lemke zum SV Werder Bremen. Als Manager begründete er seinen Ruf, ein Finanzgenie zu sein. Willy Brandt sagt mal über Lemke: „Der Willi ist ein wunderbares lebendes Beispiel dafür, daß auch Spzialdemokraten hervorragend mit Geld umgehen können.“
Seit Rehhagels Weggang herrscht bei Werder Dauerkrise. Zuletzt, als der Verein drohte, in die zweite Bundesliga abzusteigen, wurde auch Lemkes Position diskutiert, vorübergehend. Vermutlich wird Lemke Mitglied eines am 30. Juni zu wählenden Werder-Aufsichtsrats. Ein Motivierer fehlt nicht nur im Bremer Schulwesen – auch bei Werder hat man in letzter Zeit Frustrierte gesehen. Burkhard Straßmann
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