: Lockerheitssignale und Verbindlichkeiten
■ Im schleswig-holsteinischen Wahlkampf verwenden Heide Simonis (SPD) und Volker Rühe (CDU) unterschiedliche sprachliche Strategien, um sich ins rechte Licht zu rücken
Sehr viel haben die Rivalen um das Amt des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten offiziell noch nicht übereinander gesagt. Wenn sie es mit Blick auf die Landtagswahl in acht Monaten doch tun, führen Heide Simonis (SPD) und Volker Rühe (CDU) ihren politischen Kampf auch mit auffälligen sprachlichen Mitteln. Da bezeichnete Simonis ihren Herausforderer wiederholt nur als „CDU-Kandidaten“ aus Hamburg-Harburg oder gar den „Herrn, der zu Besuch gekommen ist“, während Rühe von „Volker an Heide“ funkt.
Für den Germanisten Prof. Ludwig Eichinger verfolgen beide Seiten damit verständliche Strategien. So wolle die SPD ausnutzen, daß die CDU einen Kandidaten von außen ins Rennen schickt, was bei regionalen Wahlen ein Manko sein kann. „Ihre logische Strategie im Wahlkampf sagt: Da kommt irgendeiner, das ist ein Kandidat, und darüber, ob der als Person okay ist oder nicht, darüber reden wir doch gar nicht“, erläutert der Inhaber des Lehrstuhls für deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Kiel. Eichinger sieht darin „Distanzierungssignale, die auch die Personen in den Hintergrund rücken“ – also: „der Kandidat aus Hamburg“.
Wenn Rühe dem Simonis-Vorgehen die Vornamen-Botschaften „Volker an Heide“ entgegensetzt, ist darin für Eichinger die passende Gegenstrategie zu erkennen. Die Diskussion wird auf die Ebene der Auseinandersetzung zwischen Personen gestellt, die zu Recht miteinander sprechen. „Das ist auch der Versuch, Simonis sprachlich vom Podest der Ministerpräsidentin herunterzuholen und mit dem Bewerber auf die gleiche Stufe zu stellen.“ Die Auseinandersetzung über den Vornamen zu führen, sieht Eichinger zunächst als „kommunikativen Gag“; ob es respektlos ist, liege „im Auge des Betrachters“, also des Wählers.
Daß die in den Norden gewechselte Rheinländerin Simonis und der von der Bundes- auf die Regionalebene umgestiegene Hamburger Rühe kommunikativ stark differierende Persönlichkeiten sind, kommt zu allen politischen und Frau-Mann-Unterschieden hinzu. Eichinger: „Es ist ja offenkundig, daß Simonis überall dort sehr gut ist, wo es um unmittelbares Reagieren und Signalisieren von lockerer Verbindlichkeit geht.“ Sie gebe sich „auch als Bürgerin unserer lockerer gewordenen Gesellschaft“. Dafür müsse sich die impulsivere Simonis in der eher konservativen deutschen Gesellschaft überlegen, wie sie sich in einem hochoffiziellen Rahmen äußert: „Vermutlich möchte sie auch in offiziellen Situationen nicht reden wie ihr eigener Großvater.“
Der einen eher ruhigeren Duktus pflegenden Rühe hat das entgegengesetzte Problem. Er habe als Bundesminister jene Amtserfahrung gesammelt, „die den offiziellen und offiziösen Ton sehr viel stärker zur Verfügung stellt“. Dafür habe Rühe offenbar „Anpassungsschwierigkeiten an alltägliche Kommunikationssituationen“ und im Umgang mit „normalen Leuten“ unsicher gewirkt. „Da fehlen ihm Lockerheitssignale.“ Wolfgang Schmidt
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