Betr.: Stadtschreiber

Die Tradition der Stadtschreiber reicht ins 13. Jahrhundert zurück. Damals bildeten sie das eigentliche Zentrum der Verwaltung der mittelalterlichen Städte. Sie waren Protokollführer bei Rats- und Gerichtssitzungen, Leiter von städtischen Kanzleien und auch städtische Gesandte. Bei juristischen Streitigkeiten wirkten sie zudem als Rechtsberater des Stadtrats und setzten wichtige Verträge auf. Ursprünglich waren die Stadtschreiber meist Geistliche, später Juristen. Meist erhielten sie nur ein mäßiges Gehalt, doch das wurde durch reichhaltige Pfründen – Einkünfte aus kirchlicher Quelle – ergänzt, so daß sie durchaus vermögend waren.

Die Stadtschreiber von heute sind Autoren, die als Auszeichnung für ihre literarischen Verdienste von einer Stadt eingeladen werden, für eine befristete Zeit dort zu leben, Literatur zu vermitteln und auch als Chronist über sie zu schreiben. Darüber hinaus dürfen sie an eigenen Vorhaben weiterarbeiten. Bundesweit leisten sich etwa ein Dutzend Städte einen Stadtschreiber.

Der Ostberliner Bezirk Hellersdorf ist der einzige der der 23 Stadtbezirke mit einem Stadtschreiber. Im Unterschied zu anderen Städten ist es die dortige Wohnungsbaugesellschaft, die seit nunmehr vier Jahren die mit monatlich 2.000 Mark und mitfreiem Wohnen in einem Plattenbau dotierte Stelle ausschreibt. 1996 wurde der Alfred-Döblin-Preisträger Michael Wildenhain erster Amtsträger, ihm folgten die Lyrikerin Kathrin Schmidt, die in Hellersdorf aufwuchs, und die Kinderbuchautorin und Stücke-Schreiberin Anja Tuckermann, die demnächst ihr Buch über Gespräche mit Jugendlichen in Hellersdorf vorstellt. Gestern trat der Erzähler Arne Roß aus Kreuzberg sein Amt an. wahn