: Die anderen
Das „Algemeen Dagblad“ aus Den Haag schreibt zum erwarteten Todesurteil gegen Abdullah Öcalan: Öcalan hat versprochen, daß die PKK die Waffen niederlegt, falls sein Leben verschont wird. „15 Jahre Krieg sind genug“, stimmte der Rest der PKK-Führung bei. Die türkische Regierung traut dem nicht und hat bisher hartherzig reagiert. Das ist unvernünftig. Diese Haltung schafft nur mehr Unheil in der Türkei und vergrößert die Kluft zu Europa, die das Land überbrücken möchte. Die Türkei würde ihrem eigenen Interesse und dem des Friedens mehr dienen, wenn man testen würde, welchen Wert Öcalans versöhnenden Worten hat.
Die „Financial Times“ aus London schreibt zur Position von Bundesumweltminister Jürgen Trittin: Das optimistische Bild, das Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem Regierungsumzug nach Berlin präsentieren will, wird vom Mißlingen einer Einigung mit den Energieunternehmen über einen Atomausstieg untergraben. Die Stromversorgungs-Industrie hegt jetzt ein tiefes Mißtrauen gegenüber Jürgen Trittin, dem deutschen Umweltminister, und scheint ihre Haltung zu verhärten ... Trittins Position als Kabinettsmitglied, das wiederholt in Konfrontationen mit Schröder verwickelt war, wird jetzt sogar von einigen Grünen in Zweifel gezogen.
„Der Standard“ aus Wien kommentiert unter der Überschrift „Schröders letzte Chance“ die Lage der deutschen Regierung: Das Unbehagen am unternehmerfreundlichen Kurs von Bundeskanzler Gerhard Schröders verbindet einen gut Teil von Grünen und Sozialdemokraten. Nach dem Abgang von Parteichef Oskar Lafontaine treibt die SPD weitgehend führungslos dahin. Die Leitungsfunktion hat Schröder nur ungenügend wahrgenommen. Es ist nachzuvollziehen, daß selbst eher konservativ gesinnte Genossen inzwischen Lafontaine zitieren: „Schröder macht heute Politik für die Schlagzeile des nächsten Tages.“
Gerhard Schröder muß nun Führungsqualitäten beweisen und gemeinsam mit seinen Kabinettskollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen Reformen auf den Weg bringen, die wirklich zukunftsweisend sind. Gelingt dies nicht, könnte die schwankende Regierung im Herbst nach den anstehenden Landtagswahlen stürzen, sollte sich das Debakel der Europawahlen wiederholen. Dann wäre Rot-Grün nur eine Episode in der deutschen Nachkriegsgeschichte gewesen. Als Firmenchef wäre Gerhard Schröder nach der Reihe von Managementfehlern wohl schon entlassen worden. Als Bundeskanzler hat er noch eine letzte Chance.
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