■ Vorlauf: Der weltberühmten Besenkammern
„Ein Kaufhaus steht Kopf“, Mo. bis Do., 20.15 Uhr, Arte
Während dem Abklatsch in der Berliner Friedrichstraße Fensterscheiben endzeitlich auf die Erde niederstürzen und Kunden auch rund um den eingestülpten Glaskegel im Innern vor Pannen nicht sicher sind, seilt sich beim Pariser „Galeries Lafayette“-Stammhaus zur Weihnachtszeit ein Nikolaus profimäßig von der Kaufhauswand ab. Und aus der Angestelltenperspektive beobachten wir, wie vor dem gläsernen Portal das Volk, das tagtäglich auf 80.000 anschwillt, seinem Einlaß entgegenscharrt, um schließlich als Konsumentenflut den Tempel zu überschwemmen.
Julie Bertuccellis vierteilige (nur ganz dezent inszenierte) Doku-Soap zeigt die Fräuleins mit den Namenschildchen und nimmt einen mit in die muffeligen Umkleideräume und Besenkammern der weltberühmten „Galeries“. So wird einem schon richtig mit mulmig, wenn ER, Geschäftsführer Hallez, in seinem grauen Anzug durch die Etagen navigiert, um Abteilungsleiterinnen wie Line, die als Mutter Beimer der Spielzeugabteilung nach 43 Dienstjahren kurz vor der Pensionierung steht, mit charmeverpackter Drohgebärde anzufeuern. Oder wenn seine Sektenführerstimme durchs jugenstilgekuppelte Edelkaufhaus schallt, die Stimme eines Mannes, der nur an das eine denkt: die Umsatzzahlen des Tages. Und das jeden Tag.
Auch die Auszubildenden Virginie und Julie lauschen dem aufgescheuchten Smalltalk um Indexzahlen, Überstundenprämien und Schnäppchentagen, grimassieren aber scheel – und mit merklichem Spaß an ihrer Soap-Rolle – in die Kamera. Beide verlassen schließlich in Folge 4 das gar nicht sinkende Schiff – Virginie, um sich jetzt piercen zu lassen, und Julie, um überzulaufen zum Erzfeind, dem Kaufhaus „Printemps“ gleich nebenan auf dem Boulevard Haussmann. Und Käpt'n Hallez steht am Fenster seines hellen Büros und sieht mit gletscherblauem Blick hinaus auf Paris und träumt von ihr, der potentiellen Kundschaft. Monie Schmalz
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