Romantische Männer, ernüchterte Frauen

■ Die Kunsthalle Bremerhaven hat im Archiv gewühlt und dort allerlei „Landschaften“ gefunden

Alle Jahre wieder lädt Bremerhavens Kunstverein in den Sommermonaten zur Sichtung der eigenen Sammlung ein. Es sind nicht nur und nicht immer die schönsten oder spektakulärsten Stücke, die Kunsthallen-Chef Jürgen Wesseler aus dem Magazinkeller der Kunsthalle hervorholt. Es ist diesmal kein wild gemischtes Potpourri aus Romantik und Moderne, es ist ein einziges Thema, zu dem der Kunstverein seit Beginn seiner Sammlungstätigkeit im Jahre 1909 besonders beigetragen hat.

„Landschaften“ heißt die nun eröffnete Ausstellung schlicht. Die dort vorgeführten Landschaften reichen vom romantischen Vorzeigestück aus dem neunzehnten Jahrhundert über Oswald Achenbachs in Abendstimmung leuchtender „Engelsburg“ und dem Worpsweder Otto Modersohn, dem eine ganze Wand gewidmet ist, bis hin zu dem Zeichner und Fotografen Hamish Fulton, der am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts seine tage- und wochenlangen Fußwanderungen in Kanada oder Südwesteuropa auf eine Weise dokumentiert, die die durchlaufenen Landschaften zu archaisch anmutenden, geradezu menschenfernen Welten macht.

Zu den Neuerwerbungen gehören auch vier Blätter von Ilya Kabakov, die der weltberühmte russische Installationskünstler 1998 in Zusammenhang mit dem Bau seiner Bremerhavener Auswanderer-Kapelle in der Stadt gelassen hat. „The decorator Mylgin“ ist ein heiteres Spiel mit der Perspektive, in dem der Blick ins Kreisen gerät, vergleichbar mit Kabakovs Wandzeichnung im Inneren des Denkmals, in dem ein Auswandererschiff auf imaginären Wellenbergen schaukelt.

Neben den vielen Männern, die Landschaften festgehalten haben, sind in der Ausstellung auch Arbeiten von zwei Frauen vertreten: Die allseits bekannte Paula Modersohn-Becker mit einer „Moorkate“ (1902) und die hierzulande kaum bekannte Dora Bromberger (1871-1942/43), deren düsterer „Herbsttag“ (1919) den Anbruch einer nervösen Moderne anzeigt, die in den idyllischen Moor- und Heidelandschaften der Worpsweder Männer Modersohn und Overbeck kaum zu finden ist. Gut vorstellbar, daß dieses spannungsreiche Gegenüber traditioneller und moderner Landschaften künftig einen eigenen Raum erhält.

Wie das Haus für die hochkarätige Bremerhavener Sammlung aussehen kann, hat der Architekt Peter Weber in einem Modell konkretisiert, das jetzt im Foyer der Kunsthalle zu sehen ist. Am nördlichen Geeste-Ufer in unmittelbarer Nähe zur Kunsthalle soll ein quadratischer Bau auf zwei Etagen die Bildersammlung aufnehmen. Im rechten Winkel dazu steht entsteht ein elf Meter hoher und fünf Meter breiter Glasriegel. Das schlanke Gebäude, auf deren Fassade sich auch Dias von aktuellen Ausstellungen projizieren lassen, wird zum raffinierten Blickfang und zum architektonischen Abschluß für Bremerhavens Einkaufmeile, die „Bürger“.

Weniger problematisch als die geschätzten Baukosten von zwölf Millionen Mark sind zur Zeit noch die laufenden Kosten, die ein neues Kunstmuseum verursachen wird. Bei der Eröffnung der „Landschaften“ aus eigener Sammlung war das Modell von Dutzenden interessierter BesucherInnen umlagert und die Meinung einhellig: Dieses neue Kunsthaus wird von allen heftig gewünscht.

Hans Happel